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Familienosterfrühstück

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Ich hab den Mitbewohner heute ein wenig länger schlafen lassen, weil Ostersonntag ist. Doch so gegen acht Uhr bin ich ihm in seinem Bett dann doch auf die Brust gesprungen und hab ihn wachgeschnurrt, weil: dramatische Hungerzuspitzung. Wie üblich wollte er mir zunächst meine morgendliche Streicheleinheit geben, aber ich habe sofort und energisch miaut:

Lini frisst immer alles, was sie kriegen kann, sogar Kartoffelpüree.

Heute nicht Mitbewohner, der Hunger stellt sich an und will nicht mehr warten. Lini quietscht auch schon und das ist immer ein Zeichen: Sie will was fressen.

Der Mitbewohner hat sofort kapiert, weil er weiß: Formiert sich bei mir eine Hungerzuspitzung, ist Eile geboten. Dann folgt als nächstes nämlich immer gleich die Schrödisirene und er hat da irgendwie ein bissl empfindliche Ohren, ich weiß auch nicht. Lini will sowieso immer fressen, was da ist, die hat offensichtlich eine Hungerzuspitzung fix eingebaut. Keine Ahnung, wie die so klein ausfallen konnte bei den Unmengen, die sie verdrückt.

Da zeig ich Lini wie das geht, gut auf den See aufpassen.

Naja, jedenfalls sind dann der Mitbewohner und ich also am Frühstückstisch gesessen und haben unser Osterfrühstück zu uns genommen. Lini, die ihren Teller sofort leergefegt hat, quasi Fressensaufsaugung im ganz großen Stil, hat derweil draußen auf der Terrasse den See bewacht. Ich hab ihr gezeigt, wie das geht und was man dabei machen muss. Man weiß ja nie, nicht dass der plötzlich verschwindet. Also nur der Mitbewohner und ich am Osterfrühstückstisch.

Vielleicht wundert ihr euch, weil zu Ostern zelebrieren ja alle immer ihre Familie und so weiter. Doch ihr wisst ja, ich bin ein Findelkater, von meiner Familie ist mir nichts bekannt. Und dem Mitbewohner ist seine im Laufe der Jahre auch irgendwie abhanden gekommen, nach und nach, auf die eine oder andere Weise. Es gibt noch einen Vater, steinalt, aber der Mitbewohner kann mit ihm nicht so gut. Es gibt auch noch eine Tochter, irgendwo in einem Land, das Schweden oder so heißt, aber die kann mit dem Mitbewohner wiederum nicht so gut. Versprengte Cousins und Cousinen, die ganz andere Leben führen und von denen nur wenig bekannt ist. Im Prinzip hat der Mitbewohner keine Familie und muss sein Leben als Einer leben. Das ist ganz schön schwierig, ich weiß das von den paar Tagen, an denen ich mich seinerzeit, als ich noch ganz klein war, allein durch die Mondseer Wiesen am See schlagen musste. Ich kann euch miauen: Ich war damals ganz schön mutlos, verzagt, hoffnungslos. Aber dann war plötzlich der Mitbewohner da und ist mein Freund geworden. Jetzt ist er mein Bro und ich bin sein Bro und wir sind unsere Familie.

Schaut her, das sind meine Freundin Lini und ich. Wir sind schon ein sehr schönes Paar, oder?

Stellt euch vor, seit ein bissl mehr als zwei Monaten sind wir sogar zu dritt! Weil der Mitbewohner nämlich bemerkt hat, dass ich als heranwachsender Kater schon gerne auch ein wenig Katzengesellschaft hätte, hat er mir tatsächlich eine Freundin besorgt. So ist Anfang Februar die kleine Lini zu uns gekommen und auch, wenn sie sich mir gegenüber zu Beginn ein wenig sperrig verhalten hat, haben wir uns inzwischen richtig lieb. Soeben erst waren wir zu zweit bei meiner menschlichen Freundin Michi und ihrem Freund Roland auf Ferienlager, ich miaue euch: Das war super. Ein Haus! Wir konnten in der Nacht so richtig durch Gänge und Zimmer fetzen und Party machen. Und das Essen, der Service, die Zerstreuung und so – alles erstklassig.

Der Mitbewohner hat mir zwar erzählt, dass Michi und Roland es beim Schlafen ab und zu gerne ein wenig lautloser gehabt hätten, weil, wie soll ich sagen – ein bissl Krach entsteht da natürlich schon. Hat allerdings auch damit zu tun, dass das Vorzimmer dort verfliest ist und dadurch die Straßenlage ein wenig problematisch, wenn man um die Kurve wetzen will. Da kannst du deine Krallen in den Boden schlagen wollen wie du willst, hilft nichts. Du driftest immer gegen die Wand. Das macht zwar Spaß, aber halt auch den einen oder anderen Klescher. Michi hat’s uns eh zurückgezahlt, indem sie am Tag immer mit so einem Monstrum gekommen ist, das ebenfalls unglaublichen Krach gemacht und die Luft eingesaugt hat, als wolle es uns das Leben nehmen. Lini und ich natürlich: Sofort rauf auf den nächstbesten Kasten, in Deckung gehen, dorthin konnte das Monster uns nicht folgen. Aber es war eine großartige Ferienwoche in Ybbs und Lini und ich, wir haben Michi und Roland voll lieb. Ich hab ja überhaupt erstaunlich viele Menschenfreunde – doch ich bin unbescheiden genug zu sagen: Das ist kein Wunder, ich meine – ein Kater wie ich! Lieb, gutmütig, sanft, telegen, ein Schnurrer, wer soll mich nicht mögen.

Weil ich meinem Ghostwriter weiter oben diktiert habe, dass Lini auf den See aufpasst, damit der nicht plötzlich verschwindet: Der Mitbewohner sagt, sowas kann im Leben durchaus passieren. Er ist heute am Ostersonntag überhaupt ein wenig melancholisch.

Da ist was da, Schrödi, hat er mir soeben beim Frühstücken erzählt, das ist wunderbar, und dann bist du womöglich einmal ein wenig unaufmerksam, ganz kurz nur und ein kleines bissl nur, und puff, ist es verschwunden.

Und mit Pech, hat er gesagt, während ich geschurrt und gefressen hab, kommt es dann in dieser schönen Form nie wieder.

Der Mitbewohner hat mir auch schon früher einmal von einer C erzählt, die vor vielen Jahren bei ihm da war und mit der es wunderbar war, dem Mitbewohner seine Lini quasi, und dann hat er nicht aufgepasst und weg war sie.

Durch die Finger gerieselt, nichts ist geblieben, sagt der Mitbewohner dann immer und zerdrückt ein Tränchen im Augenwinkel.

Viel weiß ich über diese C nicht, nur dass sie aus dem Ausseerland gekommen ist, dort bin ich schon einmal gewesen, durchgefahren zumindest, und hab ein bissl Angst gehabt, weil ich noch klein war und ein wildes Gewitter …

Ihr könnt das, wenn ihr wollt, hier nachlesen.

Na jedenfalls, der Mitbewohner und seine Linis, das scheint so eine Sache zu sein. Wahrscheinlich hat er sich da das eine oder andere Mal ein bissl was durch die Finger rieseln lassen, weil er nicht aufgepasst hat. Und davon abgesehen war er geschmacklich wahrscheinlich auch nicht immer sattelfest und dafür zu orientierungslos, was gut oder schlecht für ihn ist. Immer wieder jedenfalls einmal ist eine da, aber immer nur kurz, denn immer stellt sich dann heraus, dass sie doch keine so richtig passende Lini für meinen Mitbewohner ist. Ich weiß auch nicht, warum. Der Mitbewohner und seine Linis, das ist irgendwie eine volatile Angelegenheit und ich fürchte fast, inzwischen hat er die Nase von der Beschäftigung mit wechselnden Linis schon so voll, dass eh er selbst es ist, der ihnen immer den Stupser gibt, der sie weiterbefördert. Jedenfalls kommen und gehen die Linis inzwischen nur mehr in großen Abständen. Jetzt war überhaupt schon länger keine mehr da.

Puff – und weg, sagt der Mitbewohner dann und weiß nie, ob er traurig oder froh sein soll.

Naja, jetzt muss ich aber aufhören, von unserem Osterfrühstück zu erzählen. Denn der Mitbewohner hat sein weiches Ei geköpft, und weil er ja mein Bro ist, gibt er mir immer die Hälfte des warmen Dotters auf meinen Teller. Ich miau´s euch, das ist ein Schleckvergnügen! Gleich ist es soweit. Außerdem muss ich auch noch schnell kontrollieren, ob Lini draußen eh gut auf den See aufpasst. Neulich erst hat der Mitbewohner ziemlich traurig etwas fallen lassen so in die Richtung, dass wir, wenn es ganz blöd hergeht und das Leben für ihn weiter so schwierig wie in den vergangenen beiden Jahren ist und nicht bald mit einer flauschigen Wendung daherkommt, dass wir dann womöglich den Mondsee verlieren könnten.

Ein Horror wäre das. Deshalb hab ich Lini auch beauftragt, den See zu bewachen. Aber der Mitbewohner sagt ohnehin, wir werden sehen, es braucht halt ein bissl Glück zur Abwechslung einmal. Ich glaub, der Mitbewohner ist in einer ziemlich düsteren Ecke seines Lebens angelangt. Aber er hat ja mich. Also hab ich ihm zugeschnurrt, dass das eigentlich selbst im schlimmsten Fall dann auch egal ist, weil ich brauch den Mondsee nicht unbedingt, mir ist das Wichtigste, dass ich beim Mitbewohner bleiben kann, egal wo und wie und was. Und unsere Lini bei uns. Und das, hat der Mitbewohner mir fest versprochen, wird immer der Fall sein, er trennt sich von mir nie, nie, nie mehr.

Also was soll’s, Mitbewohner. Du und ich und Lini, niemand von uns muss mehr als Einer oder Eine leben, wir sind jetzt Drei. Und wenn du einmal eine Lini für dich siehst, die dir gefällt, dann zeigst du sie mir einfach und ich geh hin zu ihr und schnurre ihr, was Sache ist. Dann ist das gebongt und wir sind Vier.

Und jetzt Osterfrühstücksgeschichte Ende, weil: Der gelbe Dotter wartet. Ich miaue euch einen schönen Ostersonntag, liebe Blogleser und Innen! +++