Es ist einer jener raren Vorhaben im neuen Regierungsprogramm, die eine echte Reform darstellen und dennoch über die Parteigrenzen hinweg willkommen sind: das verpflichtende zweite Kindergartenjahr. Doch eine aktuelle Studie der Pädagogischen Hochschulen Tirol und Oberösterreich ernüchtert einen gleich wieder und zeigt auf, dass selbst diese sinnvolle Reform ins Leere gehen könnte.
Die Studienautoren haben 141 Leiterinnen an Kindergärten mit mehrheitlich Kindern nicht-deutscher Erstsprache interviewt. Insgesamt 12000 Kinder verbringen dort ihre Tage – oder zumindest Vormittage. Als Fazit steht dann: “Diese Kindergärten sind aktuell nicht imstande dazu beizutragen, die steigende Zahl der Kinder mit Kompetenzschwächen im sprachlichen, kognitiven und sozial-emotionalen Bereich zu senken.” Vorher finden sich darin Zitate aus den Interviews wie “Unser Ziel ist schon lange nicht mehr die Schulreife”.
Hauptproblem ist laut der Studie die „Wohnort-Segregation“ und die Aufteilung in Kindergärten mit vor allem autochthonen Kindern und jene mit mehrheitlich Migranten. Dadurch fällt der fast automatische Spracherwerb in jungen Jahren weg, wenn die gemeinsame Sprache nicht mehr Deutsch ist. Verschärfend kommt hinzu, dass aufgrund des Personalmangels viele Kindergartenhelferinnen selbst aus dem Ausland kommen und mit den Kindern deshalb Arabisch oder Türkisch sprechen. Ebenso bildet die Haltung vieler Eltern ein großes Hindernis. Eine Leiterin dazu: “Die sind in dritter Generation da, da könntest du weinen, weil die kommen rein, reden wie du und ich, und das Kind kann kein Wort Deutsch.”
Dass österreichische Eltern ihre Kinder meist nicht in diese Kindergärten schicken, wird durch diese Studie verständlich. “Es ist frustrierend, dass Kinder, die gut Deutsch sprechen, in ihrer Förderung zurückstehen müssen”, sagt eine Leiterin. Die Studie beobachtet sogar eine „Verschlechterung des Sprachstandes“ bei Kindern mit deutscher Muttersprache durch den Kindergarten. Und falls man reflexartig denkt, das sei ein typisches Wiener Problem – es wurden ausschließlich Kindergärten in Vorarlberg. Tirol, Oberösterreich und in der Steiermark analysiert
Ein verpflichtendes zweites Jahr im Kindergarten wird alle diese Probleme daher nicht lösen können. Dabei sind es vor allem die frühen Kindesjahre, die entscheidend sind für die spätere Entwicklung, in denen das Erlernen der Sprache ganz leichtfällt oder zumindest fallen kann. Jede Förderung, jede Zuwendung zahlt sich im späteren Leben mehrfach aus – für die Demokratie, für das Miteinander und für den Arbeitsmarkt. Deshalb sollte die Bundesregierung das zweite Kindergartenjahr flankieren mit Maßnahmen einer gezielten Durchmischung der Kindergärten und einer stärkeren Einbindung der Eltern in den Spracherwerb ihrer Kinder. Zum Nutzen ihrer Kinder, aber auch zum Nutzen der Gesellschaft. Immerhin schlagen auch die Studienautoren vor, “jene Familien zu fordern, die sich der Sprache und Kultur der Mehrheitsgesellschaft in unangemessener Weise verschließen.” +++