Schwarz wie die Nacht war die Katze und Barbara erzählte mir auch sofort, dass genau das ihr Name ist: The Black Cat.
The Black Cat scheint vor vor ein paar Jahren an einem Morgen einfach aus dem Nichts aufgetaucht zu sein, wurde zunächst einigermaßen unfreundlich abgewiesen, kam jedoch anderntags wieder, bettelte um Frühstück, wurde neuerlich verjagt. Aber nach dem dritten Versuch, einer eindringlicher als der andere, zeigten Barbara und ihr Mann John schließlich doch Herz. Sie gaben dem freundlichen Tier, ob Kater oder Katze ist nach wie vor unklar, ein wenig von dem ab, was für die Hausgäste vorgesehen war. Seit diesem Zeitpunkt wohnt The Black Cat auf der Caheroyan Farm. Die Besitzer fanden zwar heraus, dass The Black Cat dasselbe Spiel zu Mittag ebenso beim Nachbarshaus getrieben hatte und einigermaßen zeitgleich wohl auch dort eingezogen war. Doch mittlerweile mögen sie das schwarze Vieh, das vormittags und, wie ich herausfand, auch spätnachts durch die wilde Blumen-, Pflanzen-, Gras- und Baumlandschaft von Caheroyan House streift.
Als ich kurz vor Mitternacht eingetroffen war, die im Finsteren düstere und im Hellen wunderschöne Baumallee der langen Auffahrt durchschnitten, alle Fenster im Haus finster vorgefunden hatte und nicht so recht einen Eingang erkennen konnte, war The Black Cat das erste Lebewesen, auf das ich traf. Er – oder sie – hatte ein keltisches Miauen mit dem Potenzial zum Aufwecken des halben Hauses abgesetzt, sodass ich das Tier trotz seiner Farbe und der Dunkelheit der Nacht um Athenry sofort vor einer Türe sitzen sah, die sich dann als Eingang herausstellte. Ich streichelte The Black Cat, rüttelte sanft am Türknauf, das rote Holztor ging auf, ich stand am Empfang und drückte die Klingel. Sofort tauchte Hausherrin Barbara Coyne auf, wie von Geisterhand in der Sekunde ins Leben dieses wunderbaren B&B´s gestellt.
Jetzt aber Thema Zauber: dieser Ort hier: Athenry
Besungen werden die Fields of Athenry ja in einem der berühmtesten Irish-Trad-Songs, die es gibt. Eines der vielen Rebellenlieder, mit denen die Iren gegen den Unbill der Welt, gegen die Unterdrückung durch die Briten und gegen sowieso alles ansingen. Seit Sportler das Lied für ihre Zwecke adoptiert haben, umwandert es die Erde. Als bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine die irische Nationalmannschaft von den Spaniern eine epische Panier bezog, sang das ganze Stadion laut, minutenlang und im Chor Fields of Athenry. Ich weiß noch: Sogar der deutsche TV-Moderator war so gerührt, dass er das Kommentieren einstellte und den Roar der Iren mit keinem Wort kontaminierte. Ich bekomme, wenn ich das ansehe, heute noch Gänsehaut. Das Video des irischen Stargolfers Shane Lowry, der er jüngst erst seinen Sieg bei den British Open in einem Pub durch das Singen von Fields of Athenry abfeierte, ist ein YouTube-Hit. Und so weiter. Ich, selbstverständlich, habe das Lied ebenfalls in meinem Repertoire und sang es mangels zu feiernder Siege einfach so während meiner Leihwagen-Fahrt vom Dubliner Airport nach Athenry – laut und falsch, aber umso enthusiastischer.
Jedenfalls: Caheroyan House & Farm liegt mitten drin in den Fields of Athenry, ein Zauberort wie gesagt. Das alte, perfekt renovierte Steinhaus, die vielen Blumen rundherum, die Tiere, das kleine Flüsschen, und überhaupt. Thank you very much, liebe Presseleute von Failte Ireland, dass ihr mich für eine Zwischenstation zum Recherche-Aufenthalt im völlig überfüllten und zugebuchten Galway hier für eine Nacht einquartiert habt.
Die Besitzer, Barbara und John, sind freundliche Menschen. Vor Jahrzehnten haben sie das Anwesen gekauft und betreiben es jetzt in ihrer Pension als kleines, feines B&B. John forschte früher irgendwas mit Ozeanologie und was Barbara machte, weiß ich nicht so genau. Die Farm ist super. Die Frühstückseier für die Gäste zum Beispiel kommen von hauseigenen Hennen und könnten besser nicht sein.
Barbara ist außerdem eine echte Storytellerin. Ich gebe jetzt ungeordnet ein wenig von dem weiter, was sie mir anvertraute, während sie am nächsten Tag mein Frühstück kochte. Also:
Caheroyan House ist nicht irgend ein B&B.
Jüngst war ein älteres argentinisches Ehepaar zu Gast – und als es die Eingangstüre mit ein wenig Drumherum sah, erstarrte es: Zu Hause, erzählte die entgeisterte Frau dann Barbara, besitze man ein Foto, das den berühmten Michael Collins zeige, den irischen Freiheitshelden, als jungen Mann zwischen zwei Krankenschwestern eben vor jener Eingangstüre stehend.
Das wird Ihnen jetzt vielleicht nicht so viel sagen, aber: Michael Collins!
Es gibt ein paar Iren, die sind Kult bis in alle Zeiten, und da spreche ich nicht von Bono oder Bob Geldof. Mit Michael Collins hat alles angefangen – die Loslösung aus der britischen Tyrannei mit folgendem Easter Rising und schließlich viel später der Gründung der Republik Irland. Ähnlichen Kultstatus besitzt politisch nur mehr Éamon de Valera, der erste Taoiseach des Landes, wie Michael Collins durchaus umstritten auch er. Das Bild jedenfalls ist sicher kein Fake: Caheroyan House war zu Zeiten der beginnenden Revolution eine Nurse Station und ein Safe House (in dem sich die Revolutionäre halbwegs unbesorgt aufhalten konnten, ohne Verrat an die britischen Besatzer fürchten zu müssen). Und im Frühstücksraum steht heute noch ein weiteres Bild auf einem Sessel – es zeigt Michael Collins, als er schon General und Revolutionsführer war. Muss aufgenommen worden sein nicht allzu lange, bevor er dann ermordet wurde.
Sie befinden sich, wenn Sie in Caheroyan House übernachten, also auf historischem Boden. Und über einem vergrabenen Pferdekopf.
Folgende Geschichte: Als Barbara und John das Anwesen gekauft hatten, stand eine Komplettrenovierung an, eigentlich fast so etwas wie ein Neubau. Während der Arbeiten am Fundament gruben die Arbeiter das Skelett eines Pferdekopfes aus. Von da an ging alles schief. Ein Sohn des Ehepaares hatte einen schweren Autounfall, eine Tochter eine Thrombose im Bein, Lebensgefahr also allüberall. Ein Scheck mit dem nötigen Schmattes für den Umbau ging verloren, ein unglaublicher Wasserschaden trat ein, und so weiter. Barbara und John waren der Verzweiflung nahe, begannen darüber nachzudenken, ob und wie sie ihren Traum von der Hausrenovierung aufgeben sollten, weil das Leben mit ihnen plötzlich Billard spielte. Bis Barbara dem Ehemann auftrug, den Pferdekopf wieder zu vergraben, um ihm seine Ruhe zurückzugeben. John tat wie geheißen – und fast in der Sekunde erholte sich der Sohn von seinen schweren Verletzungen, konnte die Thrombose der Tochter kuriert werden, tauchte der Scheck zwischen einem Stapel alter Bodenfliesen wieder auf. Und so weiter. Immer noch, sagt Barbara, gebe es Gäste, die behaupten, Geister am Anwesen zu sehen. Keine unfreundlichen, aber eben doch Geister.
Ich weiß nicht. Doch das ist zweifellos eine sehr irische Geschichte, very irish indeed.
In diesem versponnenen Land der Banshees und Fairies und Leprechauns tut man gut daran, Stories solcher Art zu glauben. Als ich später abfuhr, dachte ich daher kurz und mit Wärme an das Pferd, dessen Kopf irgendwo unter mir ruhte, und wünschte ihm einen friedlichen Schlaf.
Barbara und John Coyne. Sie scheinen eine ganze Reihe von Kindern zu haben, die auch immer wieder heim nach Caheroyan House kommen, inzwischen zum Teil mit Enkelkindern im Schlepptau. Von einer weiteren Tochter will ich Ihnen noch kurz erzählen:
Gráinne Eibhlin Maire Coyne.
Schrecken Sie sich nicht, das Irische sieht komplexer aus, als es sich dann tatsächlich artikulieren lässt, die drei Vornamen der Dame sprechen sich ungefähr wie folgt aus:
Groonja Evlien Moira.
Sie sollten sich das merken, weil Sie von ihr noch hören könnten – Gráinne ist eine aufstrebende Schauspielerin, Ausbildung in New York, in drei Filmen hat sie am Rande schon mitgespielt. Soeben – exakt am Tag, als ich in Caheroyan House zu Gast war – ging Ihre Website online. Ich hätte gerne mit Gráinne gesprochen, doch wie alle guten Schauspieler und Innen ist sie dem Anschein nach mehr die auf Bühnen zwar Extrovertierte, ohne Publikum jedoch Stille.
She never would come out here to say Hello, sagte Barbara, right now she´s in the kitchen rather doing some work.
Dabei ließ ich es bewenden, took a stroll over the estate und wollte mich von The Black Cat verabschieden, bevor ich ins nahe Galway weiterfuhr. Doch keine Spur vom schwarzen Hausbewohner. War wohl bei den Nachbarn, immerhin ging es bereits auf Mittag zu. +++