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Eine Vierer-Koalition als letzte Chance

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Die erste Vierer-Koalition des Landes steht also endlich. Fünf Monate hat es gedauert, aber Klein-Ding braucht eben Weile. Zeitweise verhandelte man zu zweit, oft zu dritt, aber am Ende stellte sich heraus, dass es doch eine Vierer-Koalition aus ÖVP, Babler-SPÖ, Bundesländer-SPÖ und NEOS braucht. Falls sich die beiden SPÖs noch auf die Personalien einigen können. Und ob die Burgenland-SPÖ weiter in Opposition ist oder auch Teil der Regierung sein wird, weiß man auch noch nicht.

Es ist eine Koalition der Bürgermeister. Der langjährige Vizebürgermeister von Wiener Neustadt arbeitet künftig als Kanzler mit seinem Vize, dem langjährigen Bürgermeister von Traiskirchen, zusammen. Und ungefähr so visionär lesen sich auch die 210 Seiten Regierungsprogramm. „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“ lautet die Überschrift. No na, möchte man sagen. Fast genauso banal und selbstverständlich wie der Titel ist auch ein weiter Teil der Inhalte.

Viel war in den vergangenen Monaten von „Leuchtturmprojekten“ zu hören und zu lesen. Wenn man davon ausgeht, dass die Parteichefs in der Präsentation das herausgriffen, was sie für die strahlenden Ecktürme der nächsten fünf Jahre halten, dann darf sich Österreich vor allem freuen auf: Ein Einfrieren der gesetzlich geregelten Mieten für ein Jahr, ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr, ein Gratis-Zeitungs-Abo für Jugendliche, die Wiedereinführung des Integrationsjahres, das 2019 abgeschafft wurde, und den Ersatz des Familiennachzuges durch ein Kontingentsystem, von dem nicht drinnen steht, wie es aussehen soll.

Ansonsten regiert das Prinzip „Schau´n mer mal“. Die Energiepreise sollen durch Einsetzung einer Expertengruppe gesenkt werden und die Entbürokratisierung erfolgt über das Schaffen eines Staatssekretariates im Außenministerium (!) mit jährlicher Deregulierungsberichtspflicht. Beim Thema Föderalismus ist der neuen Regierung ein Verfassungskonvent eingefallen – der letzte, auf den dann genau gar nichts geschehen ist, liegt auch schon 20 Jahre zurück.

Gegen die wieder steigende Teuerung wird das Regierungsprogramm konkreter: Zentral ist eine klare Information an die Konsumenten, falls in der Packung künftig bei gleichem Preis weniger drinnen ist. Ansonsten werden die Bundesgebühren erhöht. Richtig offensiv wird man beim Thema schwächelnder Wirtschaftsstandort: Ein „Standortpaket“ in Höhe von 40 Mio. € soll die Unternehmen in der Krise wieder aufrichten. Einmalig, aber in dieser schwindelnden Höhe ist mehr nicht vorstellbar. Und eine kleine Senkung der Lohnnebenkosten sollte ebenso wie ein guter Teil anderer Offensivmaßnahmen eventuell 2027 kommen. Falls man es sich dann gerade leisten kann.

Der künftige Bundeskanzler sprach von „historischen Herausforderungen“ und sein designierter Vizekanzler bemühte gar den Vergleich mit der Zeit des Wiederaufbaues. Dafür steht dann bemerkenswert wenig Konkretes zur Zukunft des Pensionssystems, zur Sicherung der Pflege oder wie man den Schulunterricht organisieren soll, wenn mehr als die Hälfte der Schüler in der Klasse nicht ausreichend Deutsch sprechen. Vom Stoppen der Pleitewelle in der Wirtschaft oder dem Wiederanstieg der Teuerung gar nicht zu reden. Aber zumindest das Hauptziel dieser Regierung ist für erste erreicht: Der Bundeskanzler wird nicht Herbert Kickl heißen.

Vielleicht muss man sich an Beate Meinl-Reisinger halten, die bei der Präsentation sagte: „Ich empfehle Optimismus“. Den werden sowohl die Politiker als auch die Staatsbürger künftig reichlich brauchen. +++