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Was Neos, Hoffnungen und Gefahren

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Glauben Sie es, oder glauben Sie es nicht – ich war mit ziemlicher Sicherheit der erste oder zumindest einer der allerersten Journalisten in Österreich, der seinerzeit auf die neu gegründeten Neos aufmerksam genug wurde, ihnen nähere Beachtung zu schenken und eine große Geschichte über sie zu schreiben. Anfang 2013 machte ich mich mit dem Format-Redaktionskollegen K auf, um Nachschau zu halten, was von dieser neuen und dem ersten Eindruck nach recht ungewöhnlich daher kommenden Partei zu halten sei. Das ergab dann eine mehrseitige Titelstory.

Format-Coverstory aus dem Herbst 2013, als die Neos frisch in den Nationalrat einzogen.

Ich traf dabei nicht nur die beiden Parteigründer Veit Dengler, der gerade im Begriff war, als Vorstandschef in den Medienkonzern der neuen Zürcher Zeitung zu wechseln, und Matthias Strolz (der schon damals den Eindruck erweckte als hätte er eine Duracell-Batterie verschluckt und eine von ihr angetriebene eine Sprungfeder eingebaut). Vor dem Bezirksamt im ersten Wiener Gemeindebezirk lernte ich auch die heutige Parteichefin kennen: Zusammen mit Dengler stand Beate Meinl-Reisinger damals am Trottoir und quatschte ungeniert mehr oder weniger erstaunte Passanten an, um ihnen eine Unterstützungserklärung abzuluchsen. Sie trat jung, freundlich, unkompliziert und dynamisch auf, war gut gelaunt, und wir unterhielten uns zwischen den vorbeimarschierenden Wienern und Wienerinnen länger über das Projekt Neos. Schon damals, also vor 12 Jahren, lag die Austro-Politik ziemlich am Boden, wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen als heute – und was Neues, was Neos also, schien eine Chance zu haben.

Nach diesem ersten Treffen schrieb ich bis zur Nationalratswahl mehrere Stories über die Neos, weil diese Neuen durchaus Eindruck auf mich machten. Beate Meinl-Reisinger, damals eine der rund ein halbes Dutzend Hoffnungsträger und Innen hinter dem alles überstrahlenden Matthias Strolz, kreuzte dabei immer wieder einmal die Recherche-Wege.

Für mich war klar: Meinl-Reisinger, die erstklassig reden konnte, ihre Anliegen stets mit Überzeugung, Verve und Glaubwürdigkeit vertrat, klug und telegen war und eine für eine Politikerin erstaunlich positive Ausstrahlung in ihre Umgebung diffundierte, würde ihren Weg machen. Bei einer der Wahlveranstaltungen der Neos in der Alten Universität Wien moderierte sie durch den Abend und da dachte ich mir zum ersten Mal: Ein unglaubliches politisches Talent – die wird einmal Nachfolgerin von Strolz, wenn der sich bei seiner ausladenden Art, Politik zu machen, in sein paar Jahren selbst verbrannt haben wird. Sie dürfen mir also eine bescheidene prophetische Begabung unterstellen …

Zurück in die Jetztzeit, erlauben Sie mir folgende Einschätzung: Auch wenn die kurze Rede zur Präsentation des neuen Regierungsprogramms am vergangenen Donnerstag Vormittag ihre vermutlich schlechteste und zerfahrenste war, seit sie in die Politik ging – Beate Meinl-Reisinger ist eine gute Wahl als Außenministerin. Sie ist wie gesagt eloquent, sie ist weltoffen, sie ist authentisch und sie wird das Land gut vertreten. Jene zwei Jahre, die sie vor langer Zeit in der ÖVP verbrachte, muss man ihr wohl einfach nachsehen, denn mit dem katholisch-verlogenen Blasmusik-Kulturholzhammer der Schwarzen hat sie vermutlich gar nichts am Hut.

Außerdem verbringt sie Zeit im Ausserland, kann also gar keine Schlechte sein, doch das ist wieder eine andere Geschichte.

Ich schrieb unmittelbar nach der damaligen Nationalratswahl neuerlich eine Titelstory über die Neos, die bald frisch in den Nationalrat einziehen würden. Sie trug den Titel “Der pinke Zauber” und ich verbrachte am Wahlabend eine oder zwei Stunden auf der Newcomer-Wahlparty im Parteiloft in der Wiener Neustiftgasse. Schon im Aufzug traf ich einen Veit Dengler in Höchststimmung und pinkem Pulli mit Familie, alle ein breites Grinsen im Gesicht. Oben dann war alles in rosa-violettes Licht getaucht und es wurde ausgelassen gefeiert, Sie sehen das am Aufmacherfoto zu diesem Blogpost. Ich bekam unversehens sogar – wie vermutlich alle, die ihr an diesem Abend begegneten – eine kurze Umarmung von der schwer euphorisierten Meinl-Reisinger ab. Kann also heute behaupten: Mich hat schon einmal eine Außenministerin umarmt – zumindest eine, die damals noch nichts davon wusste, dass sie einmal … Jedenfalls, wie bereits geschrieben, ich bin mir sicher: Wir bekommen eine gute Außenministerin.

Fotoarbeiten zu einem Schellhorn-Porträt im Magazin Format am Mönchsberg über den Dächern von Salzburg.

Mit dem neuen pinken Deregulierungs-Staatssekretär Sepp Schellhorn hatte ich in meinen Redaktionsjahren beim Format und dann beim trend immer wieder zu tun. Zwei oder dreimal besuchte ich ihn in seinem coolen Lokal M32 oben am Salzburger Mönchsberg, um für die eine oder andere Story mit ihm zu reden. Der Abbau von Bürokratie war dabei stets ein zentrales Thema. Ich habe große Achtung vor dem Mann – und gehe soweit zu vermuten: Schellhorn ist personell womöglich die beste Lösung, die es in Österreich gibt, wenn man dieses enorm sperrige Thema Deregulierung wirklich angehen will. Wenn einer da wirklich was weiterbringen kann, dann ist er es. Natürlich ist die Verortung seines Staatssekretariates im Außenministerium kompletter Nonsens, aber Schellhorn bekommt von mir genauso wie seine Parteichefin eine gehörige Portion Vertrauensvorschuss – weil ich überzeugt bin, dass ihn beide verdienen.

Überhaupt neige ich der Ansicht zu, die Neos könnten in Regierungsverantwortung der trägen und trögen heimischen Regierungspolitik tatsächlich jenen Spritzer Aufputschmittel zuführen, der ihr in den vergangenen Jahren so abging. Allerdings neigte ich vor fünf Jahren auch zur Ansicht, mit dem Regierungseintritt der Grünen und ihrem Parteichef Werner Kogler, den ich durch meine Arbeit für Format und trend ebenfalls ab und zu getroffen hatte, würde sich etwas zum Guten ändern. Ein schwerer Irrtum, wie sich herausgestellt hat, Kogler mutierte mit der Übernahme des Vizekanzleramtes in der Sekunde zum Blabla-Politiker herkömmlicher Prägung und die Grünen – naja, breiten wir über die und ihre Performance lieber den Mantel des Schweigens. Natürlich muss man auch sagen, dass die verschlagenen Kurz-Schwarzen mit ihren vielen versteckten kleinen Fouls im Regierungsalltag maßgeblich dazu beigetragen haben. Polit-Insider erzählen hinter vorgehaltener Hand immer wieder: Eine Umarmung durch die bigotte ÖVP kann schnell einmal zur tödlichen Bedrohung werden.

Ich hoffe sehr, Beate Meinl-Reisinger und Sepp Schellhorn ereilt mit ihren Neos nicht ein ähnliches grünes Schicksal. Es wäre schade um die Chance für Neues und zwei Politiker, die ich durchaus als Hoffnungsträger einstufen würde. +++

P.S. Und kaum ist Werner Kogler wieder Oppositionspolitiker, mutiert er prompt zurück zu dem, was er eigentlich ist: ein kompetenter, eloquenter, verbindlicher und inhaltsstarker Politiker, ein sympathischer Mensch. Es gibt also Hoffnung, man kann die ÖVP-Vereinnahmung überleben.