Nur noch 44 Prozent der jungen Menschen in Österreich denken, dass das politische System im Land gut funktioniert. Vor sechs Jahren waren es noch 69 Prozent. Nun hätte ein Berufszyniker wie ich gleich die passende Erklärung, aber dieser Befund ist zu ernst dafür. Weniger als ein Viertel der Jungen sieht die Interessen der eigenen Altersgruppe bei politischen Entscheidungen berücksichtigt. Bei der letzten Umfrage waren es noch doppelt so viele (Quelle: Foresight im Auftrag des Parlaments).
Das sind alarmierende Werte und Entwicklungen. Zuerst hat man die jungen Menschen im Land mit den Corona-Maßnahmen besonders hart getroffen, nun droht sie die Politik generell zu verlieren. Dabei interessieren sich die 16- bis 26-Jährigen durchaus für Politik: Nur fünf Prozent wollten im eigenen sozialen Umfeld nicht darüber diskutieren, während sich zwei Drittel zumindest einmal pro Woche über Politik informieren.
Und das in einer Zeit, in der die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen immer rascher ablaufen und in der es immer schwieriger wird, Fakten und Fakes auseinanderzuhalten beziehungsweise wo unter dem Titel der Meinungsfreiheit die Bedeutung von Fakten laufend reduziert wird.
Der erste Hebel sollte die schulische Bildung sein. Etwa die Hälfte beurteilt die Aufklärung über Politik dort als mangelhaft. Höchste Zeit also, im Geschichte-Unterricht Jahreszahlen oder die Abfolge von Habsburger-Herrschern Google zu überlassen und der politischen Bildung mehr Raum zu geben.
Doch in diesen Zahlen steckt vor allem der Auftrag, Politik so zu gestalten, dass nicht nur die nächste Meinungsumfrage oder maximal der nächste Wahltermin zählen, sondern mitzudenken, wie die politischen Entscheidungen von heute das Leben 2030, 2040 und darüber hinaus beeinflussen werden. Es sind vor allem die Themen Migration, leistbares Wohnen und Belastbarkeit des Pensionssystems, in denen man die Sorgen der Jungen ernst nehmen sollte. Noch sehen etwa neun von zehn jungen Menschen die Demokratie als die beste Staatsform. Diese Bejahung unserer Staatsform sollte man nicht gefährden, sondern im Gegenteil ausbauen, bis es zehn von zehn sind. +++