Start Siegls Senf ÖVP macht Blau – zur Kanzlerpartei

ÖVP macht Blau – zur Kanzlerpartei

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Ich schreibe es ja nicht gerne, aber letztlich hat Herbert Kickl recht behalten. Es brauchte den Rücktritt des anständigen, weil zu seinen Versprechen vor der Wahl stehenden Karl Nehammer, damit Österreich eine Regierung bekommen kann. Und die „leeren Kilometer“, die der Bundespräsident mit einem Regierungsbildungsauftrag an den FPÖ-Chef vermeiden wollte, waren letztlich der Versuch, die erste Dreier-Koalition Österreichs zu formen. Verlorene drei Monate, von denen nur Scherben und Verletzungen bleiben werden. Schon jetzt fliegen die Schuldzuweisungen hin und her, wer denn die Schuld am Platzen der „Zuckerl-Koalition“ tragen würde.

Aus meiner Sicht liegt die Hauptverantwortung bei der SPÖ. Sie hat einen intellektuell überforderten Marxisten zum Vorsitzenden gemacht, dessen Haupttalent darin besteht, in Parteigremien die Sehnsucht nach den guten, alten Zeiten der Sozialdemokratie zu beschwören, und dessen maßgeblichste Qualifikation ist, nicht Hans Peter Doskozil zu sein.

Die Neos sind jene Partei, die normal am zurückhaltendsten gegen die anderen Parteien wettert. Umso bemerkenswerter ist der Text auf ihrer Homepage zum Thema: Andreas Babler zeigte sich demnach in den Verhandlungen „mehrfach destruktiv und cholerisch. Er kündigte an, „das alles in die Luft zu sprengen“, und blamierte seine eigenen Verhandler:innen, indem er bereits getroffene Vereinbarungen – etwa zur Reform der Pensionen – wieder zurücknahm. Seine Führungsschwäche und Unberechenbarkeit machten eine Einigung unmöglich. Die Verhandlungen scheiterten nicht an mangelndem Willen der anderen Parteien, sondern an der bewussten Blockadehaltung von Andreas Babler.“

Das kommt immerhin von einer Partei, die in Wien in einer halbwegs funktionierenden Koalition mit der SPÖ sitzt. Auch Karl Nehammer, der nun nach seinem Rücktritt relativ frei sprechen kann, argumentiert ähnlich. Unter Pamela Rendi-Wagner oder Hans Peter Doskozil wäre die Österreich-Ampel daher vermutlich bereits auf Grün umgesprungen.

Nun aber muss die ÖVP Blau machen – nämlich zur Kanzlerpartei. Nach der Wahl war die taktische Situation für die ÖVP trotz ihres Rekordverlusts ausgezeichnet. Als einzige hatte sie zwei Verhandlungsoptionen – nun kann sie nur mehr hoffen, von der FPÖ nicht allzu abgeräumt zu werden. Da ÖVP und SPÖ es nicht geschafft haben, dem Land eine Zukunftsperspektive zu geben beziehungsweise – wie es Petra Stuiber im „Standard“ schreibt – „das Projekt einer Erneuerung des Landes in den Sand gesetzt haben“, führt die FPÖ in den Meinungsumfragen mit mehr als 15 Prozentpunkten Abstand, ist beinahe so stark wie ÖVP und SPÖ zusammen.

Und – fast noch schlimmer – ÖVP und SPÖ könnten sich Neuwahlen gar nicht leisten. Ihr Schuldenstand liegt bei 5,3 bzw. 3,0 Millionen Euro, während die FPÖ dem Rechnungshof 8,2 Millionen Vermögen gemeldet hat. Zum Vergleich: Die gesetzliche Wahlkampfkosten-Obergrenze liegt bei 8,6 Millionen. Der ÖVP bleibt also nur mehr übrig, auf die Fairness der FPÖ zu hoffen, diese Situation nicht über Gebühr auszunutzen. Es gibt wahrlich bessere taktische Ausgangspositionen. Die ÖVP ist derzeit im Saison-Abverkauf erhältlich und Herbert Kickl weiß das nur zu gut.+++