such*stuff sprach mit dem renommierten österreichischen Ökonomen Christoph Badelt, dem Vorsitzenden des die Regierung beratenden Fiskalrates, über die verfahrene wirtschaftliche Lage im Land.
Interview: Klaus Puchleitner
Schon vor der Nationalratswahl haben Sie auf die Notwendigkeit eines Sparpaketes nach der Wahl hingewiesen. Jetzt bestätigen die Prognosen das. War es unlauter vom Finanzminister, der über diese Daten ja verfügt hat, bis zur Wahl zu bestreiten, dass es ein Sparpaket brauchen wird?
Badelt: Das Finanzministerium hat einige Annahmen für die offizielle Prognose getroffen, die unseren Experten unplausibel erschienen sind. Daran hat sich auch nichts geändert, wenn das Ministerium jetzt eine Prognose mit höherem Defizit publiziert, weil die Verschlechterung auf die Revision der Konjunkturprognose für 2024 zurückgeht.
Wieviel muss pro Jahr eingespart werden und wie soll das am besten gehen?
Das Defizit muss jedenfalls um den Wert korrigiert werden, der nötig ist, um den von der EU-Kommission vorgegebenen Referenzpfad zu erreichen. Das werden wohl mindestens 3 Mrd. Euro pro Jahr sein – vielleicht auch mehr. Darüber hinaus ist es nötig, dringend Luft für nötige Zukunftsinvestitionen zu schaffen.
Welches Einsparungspotenzial hätte denn eine wirklich umfassende Föderalismusreform?
Das Potential ist sicher beachtlich, aber es wäre nicht seriös, jetzt eine konkrete Zahl zu nennen.
Anders gefragt: Was würde es bringen, wenn man die Verwaltung drastisch vereinfacht und die Bundesländer und Gemeinden abschafft?
Man darf nicht vergessen, dass eine Abschaffung der Länder die österreichische DNA betreffen würde und mir ist nicht bekannt, dass das irgendjemand will.
Die Zuschüsse zu den Pensionen sind jetzt schon astronomisch und werden weiter steigen, was durch die Anhebung des Pensionsantrittsalters ein wenig entschärft werden könnte. Wie nachhaltig wäre das aber wirklich, wenn die Lebenserwartung steigt und steigt?
Langfristig müsste das Pensionsantrittsalter mit der Lebenserwartung variieren, also meist steigen. Dabei sind aber zwei Einschränkungen zu machen: Erstens kann eine solche Erhöhung nur immer lange im Voraus und in kleinen Schritten erfolgen, zweitens ist auf einen sozialen Ausgleich zu achten, da manche Bevölkerungsgruppen eine höhere Lebenserwartung haben als andere.
Müsste eine zeitgemäße Pensionsreform nicht die Abkehr von Umlagesystem und Generationenvertrag mit sich bringen?
Ich halte eine Kombination von einem umlagefinanzierten System der öffentlichen Pensionsvorsorge und einer kapitalgedeckten zweiten und dritten Säule für optimal. Dadurch sind dann auch die Risken breiter gestreut.
Noch einmal zum Thema Sparpaket, Konjunktur und Budget – was würden Sie sagen: Ist die Situation lediglich „ernst“, ist sie „dramatisch ernst“ oder ist „Feuer am Dach“?
Jedenfalls so ernst, dass wirklich und rasch Handlungsbedarf gegeben ist. Allerdings unter Bedachtnahme auf die schwache Konjunktur. +++
Das Interview ist auch in der Wochenzeitung “Die Zeit” vom 7. November 2024 erschienen.