Als die Inflation galoppierte, stiegen auch die Mieten. Das arbeiterkammernahe Momentum Institut beklagte wieder einmal, wie unsozial das sei. Seit vielen Jahren ist es en vogue, Vermieter pauschal als Miethaie zu diskreditieren. Aber die Welt ist bei weitem nicht so schwarz-weiß, wie Sozialromantiker – zum Beispiel Marke Andreas Babler – sich das gerne vorstellen. Ja, natürlich: Soziales Wohnen und die Möglichkeit, unterprivilegierten Menschen ein leitbares Dach über dem Kopf in würdevoller Form zu ermöglichen, ist Zeichen einer gut funktionierenden, aufgeklärten Gesellschaft. Das muss selbstverständlich möglich sein und ist Gebot einer verantwortungsvollen Sozialpolitik. Und ja, noch einmal natürlich: Es gibt sie, die bösen Miethaie, sehr oft sind das institutionelle Investoren oder Institutionen, die sich als solche missverstehen. Die Ärztekammern zum Beispiel sitzen in vielen Fällen auf unglaublichen Immobilienvermögen und mehren diese durch Vermietung zu hohen Preisen. Banken, Versicherungen – sie alle missverstehen sich nicht selten als Immobilieninvestoren, vermieten und verhalten sich dabei zumeist alles andere als sozial.
Der wahre Miethai jedoch ist der Staat, der ohne jede Gegenleistung kräftig an der Vermietung von Wohnraum mitnascht und hauptverantwortlich dafür ist, dass Mieten oft schwindelerregende Höhen erreichen. Weil er ein völlig veraltetes, völlig verbasteltes und an modernen Bedürfnissen völlig vorbei gehendes Mietrecht nicht modernisiert, vereinfacht und entbürokratisiert. Vor allem jedoch, weil er privaten Vermietern hohe Abgaben aufhalst und sie gar nicht anders können als diese weiterzugeben. Gleichzeitig bietet der Finanzminister institutionellen Vermietern, deren Geschäftszweck eigentlich ein ganz anderer wäre, phantasievollste Abschreibemöglichkeiten, die das Vermieten für sie lukrativ machen.
Einfaches Beispiel, aus dem Leben gegriffen und keineswegs ein Einzelfall: Nehmen wir einen Selbständigen, ein sogenanntes Einpersonenunternehmen – er hat sich über sein Arbeitsleben eine 60-Quadratmeter-Eigentumswohnung abgespart. Nett zwar, gepflegt, jedoch ohne großen Luxus, die er nun vermietet. Marktkonforme Miete: 750 Euro. Aus Mieter-Sicht ist das tatsächlich sehr viel Geld und verschlingt womöglich zwischen einem Drittel und der Hälfte des Netto-Monatslohns. Das ist zweifellos zuviel. Da kommt einem die Beschimpfung “Miethai” natürlich schnell über die Lippen, und sie ist sogar nachvollziehbar.
Aus Sicht des Vermieters sieht die Rechnung aber so aus: Abzüglich der Betriebskosten bleiben ihm 550 Euro, davon muss er 125 Euro an Umsatzsteuer an den Staat abliefern, von den verbleibenden 425 Euro kassiert der Finanzminister – nehmen wie eine niedrige Einkommensteuer-Progressionstufe, weil der Vermieter auch alles andere als ein Großverdiener ist – noch einmal 30 Prozent, also rund 128 Euro. Verbleiben an Mieteinnahme monatlich 297 Euro. Der Staat verdient an diesem Mietgeschäft – wie gesagt ohne auch nur einen Finger zu rühren – also beinahe ebensoviel wie der Vermieter, nämlich 253 Euro. Von seinen Netto-Mieteinnahmen muss der Vermieter dann nach Ende des Mietverhältnisses auch noch das Neuausmalen der Wohnung finanzieren, eventuelle Schäden (die es meistens gibt) beseitigen lassen und so weiter. Zumindest eine Jahresnettomieteinnahme geht dabei sicher drauf. Nehmen wir also ein auf drei Jahre befristetes Mietverhältnis, da bleiben dem Vermiete de facto pro Monat Einnahmen von netto 198 Euro pro Monat. Und das, obwohl die Miete aus Sicht des Mieters ziemlich hoch ist.
Fassen wir zusammen: Der Mieter zahlt 750 Euro, dem Vermieter blieben davon 198 Euro, der Staat kassiert 253 Euro. Wer ist jetzt der Miethai? Verkonstruierte Mietpreisbremsen, an allen Bedürfnissen vorbei gehende Befristungsvorschriften, ein aus der Zeit gefallenes Mietrecht – alles das ist nicht die Lösung für das Problem hohe Mieten, sondern Teil des Problems. Und für alles das ist der Staat verantwortlich, der als Folge seines Agierens unverschämt hohe Einnahmen lukriert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. +++