Inzwischen kann man als bekannt voraussetzen: Die Gazprom, jener russische Lieferant von Erdgas, an dessen Gängelband Österreich über einen womöglich zum Nachteil des Landes geschlossenen Vertrag bisher hing, weil er so gut wie unkündbar war, hat vergangenen Samstag die Lieferung nach Österreich an den Vertragspartner OMV eingestellt. Das ist an sich eine gute Nachricht. Denn es ermöglicht der OMV, die diesen Vertrag, der über viele Jahre laufen sollte und unter Ex-CEO Rainer Seele während der Amtszeit von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz abgeschlossen wurde, mit sofortiger Wirkung nun doch zu kündigen. Denn da die Gazprom nicht mehr liefert, ist sie vertragsbrüchig geworden. Die Österreicher und Österreicherinnen finanzieren damit über das Zahlen ihrer Gasrechnung nach dem Ausstieg Putins Angriffskrieg auf die Ukraine nicht mehr mit. Wenn die OMV die Verträge auch tatsächlich kündigt.
Das scheint naheliegend, doch mit Bestimmtheit erwartet werden kann es nicht. Nur zur Erinnerung: Das OMV-Management gewährte bisher niemand, nicht einmal Regierungsmitgliedern, Einsicht in dieses mysteriöse Vertragswerk. Kein Außenstehender kann also sagen, ob und wie sehr die Verträge tatsächlich zum Nachteil Österreichs waren, wie nach- oder vielleicht gar fahrlässig deren Abschluss womöglich gewesen sein mag – oder auch nicht. Warum sollte man also per se annehmen, dass das aktuelle OMV-Management, das die Geheimniskrämerei seiner Vorgänger bisher fortgesetzt hat, plötzlich ausschließlich im Sinne des Landes agiert? Allzu viel nationales Rückgrat sollte man vom Top-Management eines global agierenden Öl- und Gaskonzerns womöglich ohnehin nicht erwarten.
Bleibt die Frage: Was kommt jetzt in Sachen Gas auf uns zu? Versorgungstechnisch vermutlich in der Tat gar nichts, die Lager sind gefüllt, wenngleich der Inhalt bei weitem nicht zu hundert Prozent Österreich gehört. Aber der grünen noch-Energieministerin Eleonore Gewesler ist wohl zu glauben wenn sie sagt: Österreich ist auf den Ausstieg aus dem Russen-Gas vorbereitet. Weniger glauben sollte man vielleicht Bundeskanzler Karl Nehammer, der in den vergangenen Tagen nicht müde wurde zu versichern: “Die Preise werden nicht steigen.” Das ist nämlich derselbe Bundeskanzler, der vor der Nationalratswahl nicht müde wurde zu betonen, es werde nach der Wahl kein Sparpaket brauchen. Und der sich dabei auf Zahlen aus dem Finanzministerium bezog, von denen Österreichs oberster Wirtschaftsforscher Christoph Badelt sagt, der renommierte Vorsitzende des Fiskalrates: “Wir glauben sie schlicht und einfach nicht.” Man könnte in der Folge vermuten: Versichert Nehammer, dass die Gaspreise nicht steigen, ist das vielleicht eher ein Indiz dafür, dass sie genau das tun könnten.
Die Experten – das sind die, die es abseits der Politik eigentlich wissen müssten oder besser gesagt: die es mit Sicherheit besser wissen als ÖVP-Politiker – halten es für sehr wohl möglich, dass es am Markt zu einem Anstieg der Gaspreise kommt. So, wie andere Experten vor der Nationalratswahl sagten, danach werde es zu einem Sparpaket kommen. Dem Vernehmen nach wird genau so ein Sparpaket zentraler Gesprächspunkt der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos sein. Wir werden in wenigen Wochen wissen, wem wir glauben hätten sollen: den Experten oder Nehammer und seinem Finanzminister, der sich morgen endgültig in den Versorgungsjob nach Brüssel verabschiedet. Schon früher werden wir vermutlich in Sachen Gaspreis wissen, wem zu glauben gewesen wäre: den Experten oder dem Bundeskanzler. +++