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Bist du willhaben, bist du gehbrausen

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Es ist wieder soweit, ich verkaufe etwas über willhaben.at. Diese Plattform kennen Sie sicher, sie ist irgendwie ein Sammelbecken für alle Schrulligen, die sich da treffen und ihrer Seltsamkeit freien Lauf lassen. Verkaufen auf willhaben, das ist Nervenkitzel pur. Normale Menschen findet man dort eher nur gut versteckt zwischen all den Schrägen. Und normale Kommunikation darf man sich auch nicht erwarten. Ich bin da auch relativ toleranzlos: Halblustige Nachrichten Marke Interessiert mich, lg (und sonst nichts) beantworte ich gar nicht. Es ist mir nämlich zu mühsam, mich mit offenkundigen – und jetzt sagen wir es einfach gerade heraus, wie es ist – Deppen auseinanderzusetzen. Mein supercooles Canyon-Rennrad, erstklassiger Zustand, fairer Preis, ist deshalb auch nach wochenlangem Inserieren und einem guten Dutzend sehr eigenartiger Anfragen (oder was auch immer Nachrichten wie Hey cooles Bike, was is machbar auch zu bedeuten haben mögen) immer noch zu haben. (Nur falls Sie Interesse haben sollten: klicken Sie hier – aber bitte bitte, schicken Sie mir eine Nachricht in ganzen Sätzen, damit ich sie auch verstehen kann, oder rufen Sie besser noch einfach an, vielen Dank!)

Jedenfalls erinnert mich die Sache an den Verkauf eines Autos über willhaben vor einigen Jahren, die mich damals auf die offenkundige Schwarmblödheit der Menschen erst so richtig aufmerksam machte. Und davon erzähle ich Ihnen jetzt einfach ein wenig, gut?

Wochenlang versuchte ich damals, meinen braven BMW zu verkaufen. Das Fahrzeug war, sagte zumindest der ÖAMTC, von den üblichen Gebrauchsspuren abgesehen in wirklich gutem Zustand. Der Preis, den ich dafür haben wollte, wohlfeil. Allein: Ich bekam das schwarze Auto nicht los. Zum Teil lag das auch an mir, weil ich mich weigerte, mit offenkundigen Idioten Geschäfte zu machen. Ich antwortete gar nicht auf ihre Anfragen. Aber zum größeren Teil lag es wohl, vermute ich auch heute noch, an der degenerierenden Kommunikationsfähigkeit der Gesellschaft.

Jedenfalls: Ein gebrauchter Dreier-BMW schien die Matschigen in der Marille magisch anzuziehen. Die Creativ-Friseurinnen dieser Welt (die wahrscheinlich alle Schaklin und Mischel heißen und sich auch genau so schreiben). Die Märchenprinzen aus den Landdiscotheken, das Haar gelackt und geölt und nach Gabalier-Manier bergauf getollt. Aber urteilen Sie selbst, ich berichte Ihnen ein wenig von meinen damaligen Verkaufsbemühungen.

Inseriert hatte ich das Auto also auf willhaben.at – dort war meine Telefonnummer angegeben, die man anrufen konnte. Man hätte dann zum Beispiel sagen können:

Guten Tag, meine Name ist Sowieso, ich habe Ihr Inserat gesehen, das Auto interessiert mich, können Sie mir ein wenig darüber erzählen und machen wir uns dann einen Termin für Besichtigung und Probefahrt aus?

Hätte man können. Stattdessen zogen es fast alle Käufer vor, die komplexere Variante zu wählen und über mehrere Klicks ein SMS zu schicken. Die Nachrichten, die ich dann bekam, lauteten ungefähr wie folgt (und glauben Sie jetzt bitte nicht, dass das erfundene Botschaften sind):

Auto interessiert mich lg.

Oder:

Habe ich mich Inserat gesehen, rufen sie an, lg.

Oder:

Kann ich Fahrzeug anschauen. lg.

Oder:

Hallom ich habe mich Interesse an ihrem auto wollen Sie mich eintauschen? mfg.

Zuerst dachte ich ja, entweder hat mein Handy Teile der Botschaften verschluckt oder Apples Spracherkennungs-Software Siri ist durchgeknallt oder da kommt noch was. Allein: Es kam nichts mehr. Das war ganz offensichtlich die Art und Weise, wie potenzielle Interessenten eines gebrauchter Dreier-BMW inzwischen kommunizierten.

Gut, die Erfolgreichsten und Edelsten waren es vermutlich nicht, die sich für so ein Auto interessieren. Wohl mehr die 19jährigen Landjugendlichen, die mit dem Abschluss ihrer Installateurslehre intellektuell voll gefordert waren und halt nicht so viel Aufmerksamkeit auf sauberes Formulieren verwenden konnten. Nur, ich meine halt: Ein Mindestmaß an sprachlicher Ausdrucksfähigkeit braucht es schon, um unfallfrei durchs Leben zu kommen, oder? Ich war damals jedenfalls ein bissl schockiert – und bin es heute auch noch, denn an der Art des Kommunizierens hat sich wenig verbessert. Eher im Gegenteil.

Was sollte ich zum Beispiel von jener SMS halten, die seinerzeit auch ankam:

Hallo ist auto noch frei und wenn nicht kann ich dann vorbeischauen für probefahrt? lg.

Der Einfachheit halber verzichtete ich auf eine Antwort.

Komischerweise schrieben aber alle immer “lg” oder “mfg” am Schluss dazu. Auch heute ist das noch so. “lg”, immer in Kleinbuchstaben, ist Standard. Ich muss glatt einmal mit einem Soziologen über die wachsende Bedeutung solcher Kürzel für die akzellerierenden Verständigungsschwierigkeiten in prosperierenden Gesellschaften reden. (Wundern Sie sich bitte nicht, ich bin nicht verrückt geworden, aber Soziologen reden so oder so ähnlich).

Doch schieben wir die kuriosen SMS-Verkehre beiseite und reden wir wieder über die Kaufinteressenten von damals, die dank in ganzen Sätzen formulierten Interesses in der Lage waren, einen Besichtigungstermin zu vereinbaren: Da war einmal der Entwicklungsingenieur bei Magna, der mir seine Tätigkeit in den ersten zwei Minuten des Gesprächs dreimal mitteilte und offensichtlich sehr enttäuscht war (Mienenspiel!), dass mich das nicht beeindruckte. Ich hatte halt Firmengründer Frank Stronach schon zu oft live erlebt, um Magna noch cool finden zu können. Er konstatierte während der Probefahrt, die der BMW vorbildlich schnurrend bewältigte, einen Lagerschaden rechts hinten, ich kann das hören! Meinen Hinweis, dass der ÖAMTC das Auto tags zuvor stundenlang auf Hebebühnen und in Servicegräben auf Herz und Nieren durchgecheckt hatte und er das vollkommen lagerschadenfreie Ergebnis im vorliegenden Prüfbericht gerne nachlesen könne, kommentierte der Mann wie folgt:

Die kennen sich nicht aus. Lagerschaden. Ich höre das.

Er kaufte das Auto natürlich nicht.

Ein paar Tage später war ein Gleisdorfer vor Ort, das ist ein kleines oststeirisches Städtchen mit vermutlich erhöhter Landdiscodichte und daher vermutlich auch erhöhter Landdiscomärchenprinzdichte. Der junge Mann streifte stundenlang ums Fahrzeug, berührte alle möglichen und unmöglichen Teile mit Kennerblick, drückte bei nicht eingeschalteter Zündung sämtliche Knöpferln im Auto, erfreute mich während der Probefahrt mit erstaunlichen Fachkommentaren zum Automobilbau, wie BMW ihn betreibt, und kam schließlich nach einem gefühlt endlosen Nachmittag zu folgendem Besichtigungsurteil:

Super!

Bloß kaufen wollte er das Auto nicht, weil stellte sich heraus: Er hatte die Besichtigung für die Schwester seiner Freundin vorgenommen, die erstens einen Friseurtermin hatte und daher nicht mitkommen konnte. Und die zweitens noch gar nichts davon wusste, dass der Lebensgefährte der Schwester beschlossen hatte, dass sie ein Auto kaufen will. Der Landdiscomärchenprinz stellte einen zweiten Besichtigungstermin in Aussicht, nachdem er der jungen Dame ihren Autokaufwunsch verklickert haben würde.

Tut mir leid, für sowas habe ich keine Zeit, sagte ich, schnappte mir den Autoschlüssel und ging ab.

Dann war auch noch eine Salzburger Truppe bei mir, man war gleich zu viert aus der Mozartstadt angereist. Der Kaufinteressent hatte zur Fanreise sogar einen befreundeten Automechaniker eingeladen. Dieser prüfte und prüfte und prüfte, befand den BMW als in ziemlich gutem Zustand und wollte das Auto, das noch auf mich angemeldet war, gleich mitnehmen.

Geht leider nicht, sagte ich, zuerst muss ich den Wagen abmelden.

Der Mann grinste überlegen, echter Auskenner halt:

Brauchma nicht, sagte er und gab mir zu verstehen, dass er einfach die Kennzeichen seines eigenen Autos mitgebracht habe.

Die würde er, erklärte der Mechaniker, am BMW festmachen und so werde man damit nach Salzburg fahren. Ich könne das Auto ja dann am Montag, wenn die nächstbeste Zulassungsstelle aufmacht, immer noch abmelden. Ich verzichtete darauf, den Mann zu fragen, ob er unter Drogen steht. Stattdessen sagte ich nur freundlich:

Nein.

Die Salzburger Truppe machte sich unerledigter Dinge und ziemlich angepisst wieder auf den Heimweg.

Einen SMS-Verkehr – ja, ich habe in einem ganz speziellen Fall nämlich sogar zurückgeschrieben – will ich Ihnen zum Abschluss ebenfalls nicht vorenthalten, weil: Nun ja. Ein besonders Kurioser schrieb mir:

Bin ich Bastler, kauf ich Auto als Bastlerfahrzeug, zahle 4.000 bar auf die Hand, deal?

Ich smste zurück:

Wenn Sie wirklich Bastler sind, basteln Sie sich eine Dusche und gehen Sie brausen.

Ich habe von dem Mann natürlich nie mehr etwas gehört. Ach ja, und bevor ich’s vergesse:

lg! +++