„Der Kuchen“, der verteilt werden soll, müsse – natürlich unter seiner Führung – größer werden, wiederholte Bundeskanzler Karl Nehammer im Wahlkampf so oft, als hätte man ihn in eine tibetanische Gebetsmühle gesperrt. Damit könne man sich Gespräche über Einsparungen sparen, so der ÖVP-Chef.
Nun stellen die Wirtschaftsforschungsinstitute klar: Die bisherige Regierung hat es geschafft, dass der Kuchen – also das Bruttoinlandsprodukt – in zwei aufeinanderfolgenden Jahren kleiner wurde. Das hat seit dem Zweiten Weltkrieg noch keine Regierung zuwege gebracht. Die einzelnen Kuchenstücke, die für jeden Bewohner des Landes übrigbleiben, schrumpfen sogar seit 2019, denn die Bevölkerung wächst – im Gegensatz zum BIP – stetig. „Das Beste aus beiden Welten“ eben. Die Grünen sorgten für den Zuzug, die Volkspartei für die schrumpfende Wirtschaft.
„Österreich hat in Europa die rote Konjunkturlaterne. Wenn das jetzige Wachstumsdifferenzial bestehen bleibt, dann droht dem Land ein nachhaltiger Abstieg“, so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr bei der Präsentation der jüngsten Konjunkturprognose. 2025 könne sich ein kleines Plus ausgehen, aber auch nur, wenn Inlandskonsum und die Nachfrage nach Investitionsgütern anziehen würden, sonst blühe ein drittes Jahr ununterbrochene Rezession. Kein Wunder also, dass das Budgetdefizit deutlich über der Maastricht-Grenze von minus 3% liegen wird – auch wenn das Finanzminister Brunner im Juli noch abgestritten hat. Aber das war ja im Wahlkampf, nach dem 29. September hat in der Politik die Zeit der Wahrheiten begonnen.
Für die nächste Bundesregierung wird es wenig lustig werden. Das übliche Rezept, um den zu verteilenden „Kuchen“ größer ausfallen zu lassen, nämlich auf Pump mehr Zutaten zu kaufen, wird die EU nicht mehr erlauben. Fast drei Milliarden Euro pro Jahr müssen wohl eingespart werden, nur um die EU-Budgetregeln einzuhalten. Wahlversprechen ist da noch kein einziges bezahlt. Statt wie bisher mit Zuschüssen, Förderungen und Boni nur so um sich zu schmeißen, kommt nun die Zeit der Einsparungen und Steuererhöhungen.
Es gäbe aber noch eine Möglichkeit, den Kuchen größer zu backen, ohne gleich bei den Banken den nächsten Kredit zu beantragen. Man muss allerdings auf ein geändertes Rezept umsteigen, das drei neue Zutaten enthält. Die erste heißt Entbürokratisierung – also den administrativen Aufwand für alle Unternehmen bis hin zum privaten Häuslbauer reduzieren und im Ausgleich die Planungssicherheit erhöhen, indem man beispielsweise verspricht, in der gesamten Legislaturperiode im Steuersystem nichts mehr zu verschlechtern.
Die zweite neue Zutat hieße echte Strukturreformen dort, wo sie kein Geld kosten. Also keine „Marketing-Gags“, wie die frühere Sozialministerin Beate Hartinger-Klein die Zusammenlegung der Krankenkassen genannt hat. Die passenden Anleitungen dafür hat eine Kommission unter dem früheren Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler schon 2003 zusammengetragen, seitdem schimmelt das Papier vor sich hin. Man bräuchte bloß viel politischen Mut – vor allem gegenüber den Ländern – um es umzusetzen.
Die dritte neue Zutat käme dann fast von allein, erfordert nur noch kluge politische Kommunikation und glaubhaftes Leadership – nämlich Zuversicht bei Konsumenten und investierenden Unternehmen. Derzeit glauben zu viele von ihnen, dass es noch schlechter kommen könnte, und halten deshalb ihr Geld zusammen. Glaubhaft wieder Zuversicht zu vermitteln, allein das könnte den Kuchen schon ein Stück größer machen. +++