Es ist geradezu paradox: Der Nationalratswahlkampf plätschert inhaltlich eher vor sich hin. In der Hauptsache werben die meisten Parteien mit dem Argument, nicht die FPÖ zu sein beziehungsweise der Garant, Herbert Kickl als Bundeskanzler zu verhindern. Dieser wirbt ebenso inhaltsfrei mit „Ihr seid der Chef, ich Euer Werkzeug“.
Dabei gäbe es in diesem Wahlkampf viele inhaltliche Positionierungen anzubieten. Österreich ist in keiner guten Verfassung und die Zukunftsaussichten sind vermutlich die schlechtesten seit Jahrzehnten. Mario Draghis düsterer Zustandsbericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU lässt sich nahezu 1:1 auf Österreich übertragen: Die digitale Revolution wurde verschlafen, Gentechnik ist eher ein Schimpfwort, die Produktivität stagniert, die starken Unternehmen sitzen in wenig zukunftsträchtigen Branchen wie der Autoindustrie und das Bevölkerungswachstum kommt von wenig bis gar nicht alphabetisierten Menschen. Rekordverdächtig ist höchstens noch das ungebremste Durchrauschen der Inflation.
Dabei sollte eine florierende Wirtschaft die Basis für all die anderen Herausforderungen bilden: Für die Klimapolitik und die Energiewende, für das kränkelnde Gesundheitssystem und den massiv steigenden Pflegebedarf. Es geht um bedeutende Richtungsentscheidungen: Wie soll der Staatshaushalt saniert werden, wie soll es mit dem wackelnden Pensionssystem weitergehen, wie kann die illegale Migration tatsächlich eingedämmt werden?
Doch von den meisten Parteien kommt eine Mischung aus inhaltsleeren Überschriften, Gesundbeten und Wunschkonzert ohne Chance auf Finanzierbarkeit oder verfassungskonformer Umsetzbarkeit. Es wäre die passende Zeit für einen Wettbewerb der besten Ideen. In Umfragen sagen drei Viertel der Bevölkerung, das Land gehe in die falsche Richtung. Damit haben die Wählerinnen und Wähler offensichtlich einen besseren Realitätssinn als die Politiker. Sie hätten daher eine Auswahl zwischen den besten Ideen aller Parteien, seriös ausgearbeitet und mit finanziellen Auswirkungen versehen, verdient, und nicht nur die Fragestellung, wer soll Bundeskanzler werden beziehungsweise darf es einer davon nicht werden. +++