Rechtzeitig zur Nationalratswahl wurde die Zahl wieder hervorgeholt: 19 Prozent der hier lebenden Menschen sind ohne Wahlrecht. Von der ZiB über den Kurier bis zur Bezirkszeitung in Schwaz war es zu hören und zu lesen – meist mit kritischem Unterton. Hans Rauscher schrieb im „Standard“, 1,5 Millionen Menschen dürften hier „das elementarste Bürgerrecht nicht ausüben“.
Sie sind eben keine österreichischen Staatsbürger, woran das Wahlrecht geknüpft ist. Das hat in den meisten Fällen einen von zwei Gründen: Entweder sie wollen die Staatsbürgerschaft nicht, was vermutlich auf die meisten hier lebenden EU-Bürger – vor allem die große Gruppe der Deutschen – zutreffen wird. Oder sie hätten die Staatsbürgerschaft gerne, erfüllen jedoch die Voraussetzungen nicht. Weil sie noch nicht die erforderlichen fünf beziehungsweise zehn Jahre hier sind oder weil sie nicht ausreichend Deutsch sprechen. In vielen Fällen wohl auch beides.
Die Beherrschung der Landessprache ist aber Voraussetzung, um sinnvoll das Wahlrecht auszuüben. Wie soll man sonst am öffentlichen Leben teilhaben, wie soll man die Programme und handelnden Personen der politischen Parteien beurteilen? Auf Arabisch, Türkisch, Paschtunisch oder Farsi wird man nur wenige Inhalte der Innenpolitik finden.
Denken wir es dennoch einmal durch: Österreich gewährt diesen 1,9 Millionen das Wahlrecht. Ein Fünftel der Bevölkerung darf plötzlich wählen, obwohl vielen von ihnen die heimischen Parteien und ihre Politik wenig sagen. Es liegt nahe, dass sich für diese eher orientierungslosen Jungwähler neue Angebote bilden werden. Vermutlich werden sich diese neuen Parteien primär um die Bedürfnisse von Nicht-Staatsbürgern kümmern. Um ihre Sozialleistungen, um die Communities, in denen sie sich bewegen, um ihre Religionsausübung. Integrationsfördernd wird das in den meisten Fällen nicht sein. Und eine Parlamentspartei, die ihre Religion über das Gesetz stellen will, braucht das Land schon gar nicht.
Im Umkehrschluss dürften Auslandsösterreicher nicht mehr hier wählen, wenn künftig der Aufenthalt und nicht die Staatsbürgerschaft das entscheidende Kriterium für das aktive Wahlrecht darstellt. Man müsste dieser Logik zufolge etwa 600.000 österreichischen Staatsbürgern das Wahlrecht entziehen, weil sie nicht mehr im Land wohnen.
Es könnte auch sein, dass alle vom Bundespräsidenten bis zum ÖGB, die hier Änderungen einfordern, die Sache nicht ganz zu Ende gedacht haben. +++