Start Siegls Senf Die Angst vor der Zukunft regiert

Die Angst vor der Zukunft regiert

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Lediglich 28 Prozent der Österreicher blicken optimistisch in die Zukunft. Fast drei Viertel sehen das Land in eine falsche Richtung gehen, ergab eine Umfrage des „Standard“. Damit ist das jahrzehntelang funktionierende Grundversprechen der Politik, den Kindern werde es einmal besser gehen, nicht nur konterkariert, es ist geradezu zertrümmert.

Das sind nicht nur schlechte Karten für Regierungsparteien vor einer Wahl, darin liegt auch eine fundamentale Gefährdung der Demokratie. Wenn der Politik nicht mehr zugetraut wird, für die Mehrheit der Bevölkerung Verbesserungen zu erreichen, wenn die Abstiegsangst breit regiert, öffnet sich die Tür weit für Demagogen und für das Prinzip eines starken Führers.

Zwei Parteien sind besonders stark an diesem Meinungsbild beteiligt, wonach die Zukunft hauptsächlich Probleme und Gefahren berge. Einerseits die FPÖ – sowohl mit dem Schüren der Angst vor Migration, aber auch mit ihrem allgemeinen Ton in der Politik, wonach außerhalb der eigenen Partei nur Unfähigkeit und Dummheit geortet wird. Aber auch die Grünen haben die Angst vor dem Klimawandel zum Geschäftsprinzip gemacht. Sie agieren wie eine NGO, die auf Basis einer bestehenden oder erzeugten Angst Spenden, in diesem Fall Stimmen generieren will.

Beide Parteien verabsäumen es aber, Lösungswege für die zweifellos bestehenden Probleme aufzuzeigen, die erstens realistisch und zweitens in der Bevölkerung mehrheitsfähig sind. Weder würde das FPÖ-Prinzip einer „Festung Österreich“ den Praxistest bestehen, noch würden selbst die radikalsten Klimamaßnahmen der österreichischen Grünen die globale Erwärmung stoppen. Was vor allem bleibt, ist die zunehmende Angst in der Bevölkerung vor der Zukunft.

Junge Menschen wollen oft auch deshalb nur mehr Teilzeit arbeiten, weil sie noch von den verbleibenden Jahren, bevor alles den Bach runtergeht, etwas haben wollen. Noch schlimmer ist der Befund bei jener größer werdenden Gruppe, die gar kein Kind mehr bekommen wollen, weil dies in dieser Welt bereits unverantwortlich sei. Und von den Alten hört man immer öfter: „Bin ich froh, dass ich schon so alt bin und all das nicht mehr erleben muss, was da noch kommt.“

Es wäre Aufgabe der Politik, ernsthafte Lösungswege gegen diese Ängste aufzuzeigen. Weder eine „Technologieoffenheit beim Autoantrieb“ noch eine 32-Stunden-Woche, weder die pressetaugliche Abschiebung von 20 ausländischen Straftätern noch Klima-Tattoos gegen Bezahlung werden die grassierende Angst vor der Zukunft eindämmen. Es bräuchte glaubhafte Visionen und sichtbare erste Schritte der Politik dorthin. Zukunft war einmal eine Zeit, die sowohl Hoffnung als auch Sehnsüchte erzeugen konnte. Dorthin sollte uns die Politik wieder führen. +++