20 Wochen nach der Nationalratswahl steht Österreichs Politik vor einem Scherbenhaufen. Niemand kann mit niemandem. Zumindest nicht jene, die damit eine Parlamentsmehrheit erreichen könnten. Es wurden in den vergangenen Monaten nicht nur alle Parteien beschädigt, sondern auch das Vertrauen in die Politik insgesamt und womöglich bei manchen auch das Vertrauen in die Demokratie selbst.
Die Probleme des Landes von Rezession über Budgetdefizit bis zu Bildungsmisere sind massiv, aber Österreichs politische Klasse kann sich nicht einigen, ob eine Bankenabgabe kommen soll oder wer das Innenministerium besetzen darf. Bald fünf Monate sind vergeudet worden und vermutlich weiß weniger als die Hälfte der Bevölkerung, wer eigentlich im Moment Bundeskanzler ist.
Normalerweise sind in diesen verfahrenen Situationen Neuwahlen der beste Ausweg. Diesmal jedoch droht bei einem neuerlichen Urnengang eine besondere Gefahr: Nach aktuellen Umfragen würde danach die FPÖ im Parlament jede Verfassungsänderung blockieren können, selbst wenn sich alle anderen vier Parteien einig sein sollten. Damit wären fast alle substantiellen Reformen ohne Beteiligung der FPÖ unmöglich.
Und Herbert Kickl wird kaum zur Erkenntnis kommen, dass er ein schlechter Gewinner war und sein Verhältnis zu den anderen Parteien verbessern sollte. Im Gegenteil – es ist anzunehmen, dass er mit 35 Prozent oder mehr an Wählerzustimmung noch an Hybris und Unerbittlichkeit zulegen wird.
Der einzige realistische Ausweg auf eine Regierung, die wenigstens für Berufsoptimisten halbwegs stabil wirkt, scheint daher eine Neuverhandlung einer Zweier- oder Dreierkoalition, doch diesmal mit einem anderen faktischen, wenn auch nicht formellen SPÖ-Verhandlungsführer. Denn nach Auskunft der meisten Beteiligten mit Ausnahme von Andreas Babler war das Hauptproblem für das Zustandekommen der „Zuckerlkoalition“ eben Andreas Babler.
Leider ist allerdings der einzige SPÖ-Politiker, der diese Neuaufstellung innerparteilich organisieren könnte, nämlich Michael Ludwig, gerade im Wiener Wahlkampf. Dennoch möchte ich hier laut rufen: Ludwig, übernehmen sie! Andreas Babler ist nicht freiwillig einen Schritt zur Seite getreten, deshalb muss er von seinen Parteifreunden diesmal eingefangen werden, damit Österreich wenigstens auf den dritten Anlauf eine Bunderegierung bekommen kann. +++