Oh oh, was hat der Mitbewohner jetzt nur wieder vor, habe ich mir gedacht, als er sich vergangenen Sonntag mit vielsagendem Blick meinen Weidenkorb geschnappt hat und abgedampft ist. Den Korb, zu dem er selbst immer Katzenkorb sagt, was eigentlich keinen Sinn macht. Schließlich: Wenn Katze, dann bin das ja wohl ich, wohnt ja sonst keine bei uns. Also wenn schon, dann Schrödis Korb. Mir schwante Fürchterliches. Und tatsächlich, nicht ganz fünf Stunden später hör ich den Mitbewohner die Wohnungstüre aufsperren, starte wie üblich sofort einen Schrödi-Sprint ins Vorzimmer, da kommt er auch schon rein und ich rieche sofort: Katze! Tatsächlich – aus meinem Korb spazierte ganz langsam, ganz vorsichtig, ganz schüchtern: eine kleine graue Katze. Hat der kleinen Luni von damals (ihr könnt das hier nachlesen) gar nicht einmal unähnlich gesehen. Doch inzwischen weiß ich – kein Vergleich. Und hat sich was mit schüchtern und vorsichtig. Der Mitbewohner redet von ihr mittlerweile nur mehr als das kleine graue Monster, und das sollte euch schon einen Hinweis darauf geben, was Sache ist.
Aber der Reihe nach: Die Kleine heißt tatsächlich Celine Dion. Könnt ihr euch das vorstellen? Da hat sich sicher eine Pflegerin aus dem Tierheim verwirklicht, sagt mein Mitbewohner. Wir nennen sie jedenfalls der Einfachheit halber Lini. Diminutiv von Line für Celine. Lini ist ziemlich genau gleich alt wie ich, aber ehrlich jetzt, für ihr Alter ist sie sowas von winzig, da bin ich locker dreimal so groß. Und sie hat’s faustdick hinter den Ohren. Nicht dem Mitbewohner gegenüber, um den ist sie von Anfang an herum scharwenzelt, mit dem schmust sie, zu dem ist sie sanft und streichelweich als gäbe es kein Morgen. Aber zu mir, ich miau´s euch, zu mir ist sie dermaßen böse, da kann ich mit meinen norwegischen Waldkatzenohren vor lauter Entsetzen nur so schlackeln. Mich faucht sie dauernd an, und ständig attackiert sie mich. Dabei will ich ja nur der freundliche, höfliche, gutmütige Kater sein, zu dem der Mitbewohner mich erzogen hat. Aber nicht mit dem kleinen grauen Monster. Kein freundliches Miau, kein Aufstellen des Schwanzes zur Begrüßung, kein höfliches Beschnuppern, nix.

Stattdessen nur ein tiefes, böses Knurren, wenn ich in ihre Nähe komme und mich vorstellen will. Ohren nach hinten. Und ein Fauchen, wenn ich zum Begrüßungsbeschnüffeln anmarschiere, das glaubst du nicht. Und wenn ich, eh ganz vorsichtig, mit ihr spielen will, dann haut sie mit ihren winzigen Tatzen, die Krallen jedoch voll ausgefahren, nach mir. Und das geht jetzt schon den fünften Tag so. Außerdem ist die Kleine vereinnahmend, das ist nicht mehr schön. Territorialverhalten, sagt der Mitbewohner. Er hat ihr ein eigenes Kisterl hergerichtet, das lässt sie völlig links liegen, stattdessen benutzt sie ausschließlich mein Katzenklo und kontaminiert es mit ihrem kleinen grauen Monstergeruch. Den Fisch, den mir meine Freundin Helma aus Deutschland zum Spielen geschickt hat, hat sie sich sofort gekrallt. Kaum pass ich einmal kurz nicht auf, setzt sie sich sofort auf meinen Ausguck bei der Wohnungstüre, von dem aus man das Geschehen im Stiegenhaus überwachen kann. Heute hat sie sich glatt über meine Jause hergemacht, obwohl der Mitbewohner ihr eine eigene hingestellt hat. Und an allem in der Wohnung reibt sie sich, um es als Ihres zu markieren, auch – und vor allem – am Mitbewohner. Den schnurrt sie an und gurrt ihn an, lässt sich von ihm streicheln, und ganz offensichtlich fühlt sie sich in unserer Wohnung pudelwohl. Nur zu mir ist sie dauernd so richtig böse.
Würde der Mitbewohner mir nicht ständig versichern, dass er nie eine andere Katze auch nur annähernd so lieb haben wird wie mich, dass ich sein bester Freund bin und das ewig so bleiben wird und dass unsere Wohnung nur ihm und mir gehört und dass er auf die Avancen des kleinen grauen Monsters nicht hereinfällt, ich würde mir richtig Sorgen machen. Er hat mir aber erklärt, dass sie bei uns auf Probe wohnt und dass wir während dieser Zeit beide so freundlich und lieb wie möglich zu ihr sein müssen, damit sie eine Chance erhält, sich hier wohl zu fühlen. Also haben der Mitbewohner und ich uns folgendes ausmiaut:

Lini ist eine arme Katze aus dem Tierheim in Eisenstadt, wer weiß, was ihr in ihrem Leben schon alles widerfahren ist, und arme Katzen verdienen eine Chance. Sie darf natürlich die volle Probezeit bei uns bleiben, also zwei Wochen. Der Mitbewohner erklärt ihr dauernd in seinem freundlichen Singsang-Ton, dass wir uns freuen würden, wenn sie sich bei uns einlebt. Dass das aber bedeutet, sie muss aufhören, mich zu attackieren, und sie muss sich bemühen, meine Freundin zu werden. Von heute an gerechnet hat sie noch gut eine Woche Zeit – schafft sie das bis dahin, darf sie auf Dauer bei uns einziehen. Und wenn nicht, dann muss der Mitbewohner sie zurück ins Tierheim bringen. Ich strecke ihr auf jeden Fall meine Pfote aus und werde weiter freundlich zu ihr sein und nicht zurück fauchen oder zurück kratzen, wenn sie mich wieder attackiert. Ich bin ja kein Kater des Kampfes, sondern ein Kater der Wissenschaft. Ich glaube an das Gute in der Katze. Ich werde ihr weiter zumiauen, dass ich gerne mit ihr spielen würde und ihr Freund wäre, wir Katzen haben da ja so unsere speziellen Gurr-Laute, um uns zu verständigen. Ich zeige ihr weiter, wie das geht, Eiszapfenzuckerln und Teelichter durch die Wohnung zu jagen – und wenn sie hinterher sprintet, lasse ich ihr den Vortritt. Ganz Gentlemankater, der ich ja bin.
Meine Pfote bleibt also ausgestreckt und der Mitbewohner hat versprochen, auch dann weiter lieb zum kleinen grauen Monster zu sein, wenn es wieder einmal böse zu mir ist – und sie mit Leckerlis zu belohnen, sobald Lini doch noch anfängt, sich mit mir zu vertragen. Vielleicht klappt das ja. Wenn nicht, müssen wir uns von Lini halt wieder verabschieden, da kann man dann nichts machen. Der Mitbewohner sagt, er hat schon mit einem anderen Tierheim in Linz Kontakt aufgenommen, und dort wohnt eine Katzendame, die heißt Sushi und ist zwei Jahre älter als ich, die sucht auch ein Zuhause und die könnten wir zum Probewohnen bei uns einladen.
Naja, meine lieben Blogleser und Innen – vielleicht kommt es ja gar nicht dazu. Haltet Lini die Daumen, dass sie es schafft, zu mir genauso lieb zu sein wie zum Mitbewohner. Dann mache ich sie zu meiner Freundin und wir drei – der Mitbewohner, ich und das kleine graue Monster, zu dem wir dann natürlich nur mehr Lini sagen – haben dann eine richtig feine Dreier-Wohngemeinschaft in Graz. Falls nicht, naja, dann gilt halt leider: Celine Dion has left the Building … +++