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Dieser rrrrrrrräudige Kater

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Ihr glaubt es nicht, liebe Blogleser und Innen, was mir vorgestern passiert ist!

Der Mitbewohner und ich befanden uns gerade auf unserem üblichen abendlichen Kontrollgang im Segelclub – nachschauen, ob eh alles passt. Irgendeiner muss diesen Job ja machen. Der Mitbewohner steht gerade da und schaut ein bissl auf den See hinaus, ich sitze zwei, drei Meter hinter ihm und merke plötzlich:

Da geht was vor sich.

Schleicht sich doch tatsächlich von hinten dieser räudige kleine Straßenkater an mich heran, der sich vor ein paar Tagen schon einmal mit mir anlegen wollte. Der Mitbewohner hat das damals grad noch verhindert und ich, schon voll im Kampfmodus, hab ihm irrtümlich ein paar ordentlich tiefe Kratzer verpasst, als er mich hoch gehoben hat, damit ich diesem unverschämten kleinen Monster keine Angriffsfläche mehr bieten kann. Das tut mir natürlich voll leid, Eifer des Gefechts oder so, aber der Mitbewohner hat eh gesagt, das passt schon, er hat volles Verständnis dafür, ich wollte mich ja nur verteidigen und da ist er halt in den Weg gekommen.

Jedenfalls, da taucht dieses verdammte kleine Monster schon wieder auf, ich war total erschrocken.

Denn es ist ja so, ich bin nicht so richtig der Kämpfer. Mehr ein Kater der Wissenschaft und der Worte, weniger der Krallen. In meiner Katerwelt herrscht Frieden, ich will mit allen gut auskommen, bin zu allen freundlich. Und eigentlich sind als Folge davon auch alle freundlich zu mir. Aber nicht diese kleine Krätzn, die sich da in meinen Segelclub eingeschlichen hat und glaubt, der ist jetzt ihr Revier.

Vorgestern also, da war dieses Monster plötzlich wieder da. Von hinten. Null Anstand, null Charakter. Nur Hinterlist. Man sieht und riecht es ihm schon an – dieser Kater bedeutet Troubles. Verkniffener Blick, eingekniffener Schwanz, ein verschlagenes kleines Monster. Und der stürzt sich tatsächlich ohne Vorwarnung auf mich. Ich: geschrien und gekreischt, was das Zeug hält, da schlägt der Fiesling bereits seine Krallen in mein Fell. Wir haben uns im Kampf herumgerollt, dabei wollte ich ja gar nicht kämpfen sondern meine Ruhe, aber der ist immer wieder auf mich los. Den Mitbewohner hat’s richtig gerissen, er hat geistesgegenwärtig meine Leine losgelassen, damit ich Bewegungsfreiheit habe, und ist uns nachgerannt. Seine Dose mit Eistee hat er sofort nach dem Monster geschmissen, er hat ihn sogar getroffen, aber die Dose war leer und hat daher keinen Schaden angerichtet. Eingeholt hat er uns nicht, weil er ist halt schon ein bissl behäbig, mein Mitbewohner.

Wir also: Gekreische, Geschrei, Geplärre, Kampflärm. Ich wollte mich nur verteidigen und weg, aber diese miese kleine Ratte von Kater hat keine Ruhe gegeben. Es war richtig gefährlich und ich muss zugeben, ich befand mich schon ein bissl im Schockzustand. Dann hat der Mitbewohner uns schließlich doch eingeholt und hat geschrien wie am Spieß:

Hau ab, du deppertes Viech, ich kill dich, ich schmeiß dich in den See!

Das kleine Monster hat tatsächlich eine Zehntelsekunde Pause eingelegt, die habe ich sofort genützt und bin ab wie eine Schrödi-Rakete. Ich meine, wenn’s gegen Alien-Raumschiffe geht, die meinen Mitbewohner entführen wollen, bin ich Superschrödi. Aber mit so einer hinterhältigen Ratte von Straßenkater will ich mich nicht einlassen. Da heißt es dann: nur schnell weg.

Ich also rauf auf den nächsten Baum, und weiter rauf, und weiter rauf, immer weiter rauf. Dieses Leinen-Schnürl, zumindest was davon im Kampf noch übrig geblieben ist, war schon ein bissl hinderlich. Aber fünf, sechs, sieben Meter in die Höhe habe ich es geschafft. Dann kurz innehalten, runterschauen: Der Fiesling war weg, wahrscheinlich hat der Mitbewohner ihn verscheucht. Der ist unter dem Baum gestanden und hat gezappelt wie ein Pumuckl.

Schrööödi, Schröödi, mein Bub!, hat er zu mir rauf gerufen, bleib stehen, nicht weiter klettern, er ist eh weg, biiiitte biiiiiiiitte bleib stehen!

Na gut, hab ich mir gedacht, ich will den Bro ja nicht ängstigen, außerdem hab ich nun eh viele Meter Vorsprung auf das Vieh gehabt. Und im Fall der Fälle kommt der jetzt von unten, hab ich mir gedacht, und ich bin obenauf, da schauen wir dann erst einmal, was er zu miauen hat, wenn ich ihm meine Krallen von oben in die Nase …

Aber ich war schon ein wenig außer Atem, muss ich sagen. Und ganz ehrlich jetzt: So weit oben war ich noch nie, und der böse Kater da unten irgendwo, ich daher: Stress pur. Ich hab zwar gewusst, unten am Baumstamm steht jetzt eh der Mitbewohner und an dem muss das Vieh erst einmal vorbei, will es mir heroben an die Gurgel. Mir war klar, der Mitbewohner wird diesen Kater nie und nimmer zu mir durchlassen. Aber trotzdem. Vorsicht ist die Mutter der Katzenfutterkiste, ich war also voll im Alarmmodus. Dann hat der Mitbewohner von unten rauf gerufen, ich soll ganz ruhig bleiben, mir kann da oben nichts passieren, er kommt gleich wieder. Und ist um ein Eck verschwunden. Verschwunden! Der Mitbewohner ist verschwunden!! Ich hab gleich angefangen, Panik zu schieben.

Waaaas? Mitbewohner!, hab ich miaut, bist du von Sinnen? Bleib da! Was ist, wenn die Bestie zurück kommt?!

Aber da ist der Mitbewohner eh schon wieder hinter der Ecke hervor gekommen und in der Hand hat er so ein monströses Metallding gehabt, zwei ganz lange Stangen, die alle Augenblicke miteinander verbunden waren. Dieses Riesending hat er an den Baum gelehnt und dann hat er sich zu mir herauf auf den Weg gemacht. Ich hab schön blöd geschaut, denn dass der Mitbewohner klettern … Mit seinem stattlichen Bäucherl? Hätte ich nie geglaubt. Doch das Ding war um gute drei oder vier Meter zu kurz, er hat gerade einmal das Ende meiner Leine in die Finger bekommen. Das hat er um einen Ast gebunden und sich dann wieder Richtung hinunter auf den Weg gemacht.

Ich war miaulos. Der bindet mich fest, hab ich gedacht, sodass ich nicht weiter rauf flüchten kann, falls das Monster …? Und dann haut er wieder ab? Also ganz ehrlich, wenn ich nicht so felsenfest überzeugt gewesen wäre, dass mein Mitbewohner mein unerschütterlicher Bro ist – ich hätte geglaubt, der macht sich aus dem Staub. Sofort habe ich jedenfalls die Umgebung am Boden mit meinem immensultrasuperscharfen Schrödikaterblick gescannt. Keine Spur von dem Monster, Gott sei Dank.

Der Bro ist aber eh nicht abgehaut. Natürlich nicht, ist ja mein Mitbewohner, der auf mich aufpasst. Wisst ihr, was er stattdessen gemacht hat? Der ist wieder hinter die Ecke, dort hab ich es rumoren gehört und tscheppern und krachen und rumsen, und dann ist er mit einem noch viel monströseren Metalltrumm zurück gekommen, das hat er kaum tragen können, so schwer muss es gewesen sein. Der Mitbewohner hat auch dieses Riesending an den Baum gelehnt, und ich hab meinen Augen kaum getraut: Das hat sich nach oben, zu mir herauf, ausfahren lassen, und der Mitbewohner ist geklettert und geklettert und geklettert, bis er tatsächlich bei mir heroben war.

Ich hab ihn irrtümlich kurz einmal angefaucht, so perplex war ich.

Jetzt war der Mitbewohner ganz entgeistert.

Aber Schrödi, hat er geflüstert, ich bin’s ja, ich komm dich retten. Tu mich nicht anfauchen.

Ich ich weiß ja, du hast Angst, hat er gesagt, aber bitte, bitte tu mich auch nicht kratzen, ich mache jetzt zuerst deine Leine los und dann schnapp ich dich und du musst dich nur gut bei mir festhalten, weil ich brauch zumindest eine Hand für die Leiter, sonst fall ich runter, und dann klettern wir zwei wieder nach unten. Und du brauchst dir keine Sorgen machen, der böse Kater traut sich nicht in deine Nähe, solange ich da bin. Gut, mein kleiner Bub, machen wir’s so?

Ich hab euch ja schon einmal davon erzählt, wie schnell mich diese beruhigende Stimme des Mitbewohners wieder runter bringt, wenn ich Panik schiebe oder wenn mich was schreckt. Auch diesmal wieder. Ich hab natürlich sofort genickt und hab meinen Mitbewohner so lieb gehabt wie schon lange nicht mehr. Mir ist wieder klar geworden: Wenn der bei mir ist, passiert mir nichts. Der Monsterkater soll nur kommen, hab ich mir jetzt gedacht, der Mitbewohner wird ihn ins Nirwana kicken und dann lachen wir beide das Vieh aus Ende nie!

Es war dann halt schon so, dass der Abstieg ein bissl eine verzwickte und wackelige Sache war. Gut sechs Meter oder so hinunter und, naja: Klettern, das hat der Mitbewohner wirklich nicht so drauf. Ich hab in seinen Armen eh still gehalten, aber ojojojoi, das war ein wilder Ritt bergab. Ich meine, mir wäre bei einem Absturz ja nichts passiert, weil ja schließlich ich: Katze. Wir fallen immer auf die Füße und ein paar Meter Luftfahrt stecken wir weg wie mein Artgenosse Garfield ein monströses Stück Lasagne. Doch den Mitbewohner hätte es aus dieser Höhe ordentlich aufgeblättert, ich hab gar nicht daran denken wollen. Wackelige Leiter, unsicherer Stand, an einen Baum gelehnt, sechs Meter – das ist der Stoff, aus dem Horrorfilme gemacht sind. Ich glaub, der Mitbewohner hat ganz schön Angst gehabt.

Nur Mut, Mitbewohner, du schaffst das schon, hab ich ihm deshalb ins Ohr geschnurrt, weil mir war klar: Der braucht jetzt meine Unterstützung.

Ich meine, die Krallen, die der Kerl an seinen Händen und Füßen hat, was soll das denn sein? Die sind ja ein Witz. Und schneiden tut er sie sich auch dauernd. Mit sowas willst du auf einen Baum klettern? Null Chance. Kein Wunder, dass du dazu immer diese Metallmonstren mit dir herumschleppen musst. Aber was soll ich sagen, wir sind unfallfrei unten angekommen und der Mitbewohner ist mit mir gleich zum Auto marschiert. Und wisst ihr was? Unter dem Auto, da sitzt tatsächlich dieses Mistviech! Der Mitbewohner hat’s auch gesehen.

Vorsicht, Mitbewohner, Vorsicht!, hab ich gleich miaut.

Aber der Mitbewohner, ha! Der hat zwei-, dreimal mit seinem Fuß auf den Boden gestampft, hat Hau ab, Monster, sonst kick ich dich in die Umlaufbahn! gerufen und der böse Kater, dieser Angsthase, haha, der ist losgezischt wie eine Mondrakete, ab in die Büsche und weg auf Nimmerwiedersehen. So geht Flucht! Ich weiß jetzt zwar nicht genau was dieses Umlaufbahn-Ding sein soll, und das kleine böse Monster vermutlich auch nicht, aber egal. Der Typ ist weg.

Der Mitbewohner hat mich im Auto auf Verletzungen untersucht und ordentlich durchgeschnauft, wie er gesehen hat: Nichts. Null. Nada. Durch mein wuscheliges, kuscheliges Fell kommt so ein Straßenkillerkater mit seinen Krallen eben nie durch. Ich bin eine Norwegische Waldkatze und wir lachen über dieses Westentaschen-Krallenzeugs, das der Kerl auspacken wollte. Jedenfalls, alles gut gegangen, nix ist geschehen.

Das bin ich im Tiefschlaf nach der Katerattacke wieder zuhause. Ihr könnte sehen, ich war ganz schön fertig.

Ich hab dann zwar zuhause auf unserer Terrasse schon zwölf Stunden durchgeschlafen, weil mich, ganz ehrlich miaut, diese Begegnung durchaus ein wenig mitgenommen hat. Es ist ja so: Auf der einen Seite ich, ein Kater der Wissenschaft, friedliebend, freundlich, hohes intellektuelles Niveau gewohnt. Und auf der anderen Seite so ein Rowdy ohne Anstand, ohne Charakter und Würde, einfach nur böse und wild. Da war ich schon etwas konsterniert, um nicht zu sagen: schockiert.

Heute hat mir der Mitbewohner dann offenbart, wir gehen am Abend wieder auf Patrouille in den Segelclub.

Bis du irre, habe ich sofort miaut, willst du, dass wir dieser Bestie noch einmal über den Weg laufen?

Schrödi, hat der Mitbewohner geantwortet, davonzulaufen ist nie gut. Wir stellen uns dem kleinen Monster und machen ihm klar, dass der Segelclub dein Revier ist.

Du brauchst keine Angst zu haben, du musst dort ja nicht allein hingehen. Ich bin bei dir und lasse dich heute keine Sekunde aus den Augen. Und wenn der böse Rowdy kommt, jagen wir ihn aus dem Club. Und wenn er kämpfen will, kriegt er den Stock zu spüren, den ich mit habe. Du darfst nur nicht weglaufen, gut? Ich verspreche dir, ich pass gut auf dich auf. Wir zeigen dem Kerl, wo der Schrödi den Most holt. Okay?

Okay!, habe ich zurück miaut. Weil der Mitbewohner, mein Bro, genießt mein volles Vertrauen. Der räudige Kater soll kommen. Wir werden ihm zeigen, was es heißt, Superschrödi und seinen Mitbewohner aus dem Hinterhalt anzugreifen! +++

P.S. Und übrigens, ganz oben auf dem Aufmacherbild, da seht ihr mich kurz vor dem feigen Angriff. Ich sitze auf dem Schiff meines Segelclub-Vizepräsidenten, einer Tempest. Er weiß das zwar nicht, dass ich bei meinen abendlichen Kontrollgängen da ab und zu draufspringe, aber ich denke, er hat nichts dagegen. Trotzdem: Verratet es ihm bitte nicht. Aber mir gefällt dieses gelb-weiße Segelboot einfach gut.