Der gut qualifizierte, junge Akademiker sitzt in Thailand auf der Terrasse und am Notebook läuft sein Online-Sprachkurs. Die Kundenbetreuerin mit akademischem Abschluss schiebt ein Theologie-Studium nach – die Masterarbeit handelt von der religiösen Ekstase der Sufis beim Tanzen. Beide bekommen von den anderen Pflichtversicherten und von den Arbeitgebern dafür ein Jahr lang 55 Prozent ihres Letzteinkommens finanziert. Man nennt das Bildungskarenz, auf die übrigens ein Rechtsanspruch besteht. Und es handelt sich nicht um erfundene Bespiele, sondern um eigene Wahrnehmung.
Der Rechnungshof war nach seiner Prüfung mit dem System nicht einverstanden. Dabei wurde die Bildungskarenz immer beliebter: Im Vergleich zu 2010 haben sich die Ausgaben verdreifacht. Kein Wunder, wenn nur ein Minimum von acht Wochenstunden vorausgesetzt wird und diese auch online und aus dem Ausland geleistet werden können. Nachweise über einen Erfolg sind natürlich nicht notwendig, das würde wohl zu viel Stress verursachen.
Eigentlich wollte man niedrig qualifizierten und älteren Arbeitnehmern eine bessere Chance am Arbeitsmarkt bieten. Gut gemeint, aber laut Rechnungshof wird die Bildungskarenz „vergleichsweise stärker von Personen mit bereits hohem Bildungsniveau genutzt“. Die zeitlichen und inhaltlichen Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung seien so gering, dass die Bildungskarenz häufig „für wenig aufwändige, arbeitsmarktpolitisch wenig relevante Kursangebote“ verwendet werde.
515 Millionen Euro kostete die Auszeit von der Arbeit im Vorjahr. Mit zuletzt starker Tendenz nach oben. Dabei, wie das Wifo feststellte, sind Arbeitnehmer, die in Bildungskarenz gehen, drei Jahre danach um 12 Prozentpunkte weniger in Beschäftigung als der Rest. Über die Hälfte der Personen kehrt nach der Bildungskarenz nicht mehr zu ihrem Arbeitgeber zurück.
Arbeitsminister Kocher wollte diese Entwicklungen korrigieren. Seine Vorschläge: Mehr Geld, vor allem für niedrig Qualifizierte, aber dafür höhere Anforderungen an zeitlichem Mindestengagement und Arbeitsmarkttauglichkeit. Letzteres sollte in einem verpflichtenden Gespräch beim AMS überprüft werden.
Sogar die Sozialpartner waren einverstanden, doch beim Regierungspartner blitzte er damit ab. Möglicherweise sind die Grünen mit der drohenden Schilling-Abwertung so ausgelastet, dass ihnen keine Zeit zum Nachdenken mehr bleibt, und so blieben Gründe für die Ablehnung weitgehend aus. Lediglich in Kochers Ansinnen, die Bildungskarenz nicht mehr nahtlos an die Babykarenz anschließen zu können, sahen sie eine Benachteiligung von Frauen. Zuletzt begannen 7 von 10 Frauen ihre Bildungskarenz direkt nach der Babykarenz und einige Kursanbieter werben extra mit „Baby-Pause-Verlängern“ für ihre Online-Angebote.
Damit lassen die Grünen nach der Arbeitslosengeld-Reform (Stichwort: Anfangs mehr, später dafür weniger) Minister Kocher ein zweites Mal mit einer sinnvollen und überfälligen Initiative auflaufen. Die sozialpolitische Bilanz dieser Regierung wird leider dürftig ausfallen. Dafür revanchiert sich die ÖVP beim Partner mit einer Blockade beim Renaturierungsgesetz. Es wird Zeit für die Regierungs-Karenz. +++