Zumindest seit „Der dritte Mann“ sind ausländische Spione fixer Bestandteil der heimischen Folklore. Tatsächlich gehen Schätzungen von 7.000, teilweise von bis zu 10.000 Agenten anderer Staaten aus, die sich vorrangig in Wien tummeln. Die Gastronomen sehen sie vielleicht als Dauertouristen aus der zumindest mittleren Gehaltsklasse und somit als wirtschaftliche Belebung. Der Großteil der Bevölkerung legt das Thema vermutlich unter „Ist halt so“ mit Zusatzvermerk „Lebt sich ja auch gut hier“ ab.
Unsere eigenen Staatsschützer von der DSN gehen hingegen von „einer wachsenden Gefahr durch Spionageaktivitäten im Land“ aus, schreiben sie im Verfassungsschutzbericht 2023. Vor allem von vier Ländern geht diese Gefahr aus. China betreibe vorrangig Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage und wolle so „Zugang zu sensiblen Technologien“. China ziehe dabei „immense Vorteile aus der Offenheit des österreichischen Wissenschafts- und Wirtschaftssystems sowie aus der liberalen österreichischen Rechtslage in Bezug auf Spionagetätigkeit“, wodurch jede Menge Wissen und Expertise abfließe, schreiben die Staatsschützer.
Für die Türkei und den Iran geht es primär um das Ausspionieren der eigenen Communities mit angeschlossener „Gewalt gegen Oppositionelle“. Dabei bediene man sich auch gerne der freundlichen, wenn auch vermutlich nicht unentgeltlichen Hilfe von „Personen mit Bezug zur Organisierten Krimininalität“.
Und dann gibt es Russland mit allein 258 Personen in den diplomatischen Vertretungsstellen. Man darf also davon ausgehen, dass die gar nicht mehr so zahlreichen russischen Touristen exquisites Service durch ihre Botschaften erhalten. Die DSN vermutet aber, wenn Russland eine der „größten Legalresidenturen Europas“ ausgerechnet im kleinen Österreich unterhält, dass nicht nur die rasche Visa-Erteilung dahintersteht.
Insbesondere die hohe Anzahl von Diplomaten, deren Spezialgebiet in der „Satellitenkommunikation, im Aufbau und der Wartung von elektronischer Signalübermittlung oder der Verschlüsselungs- und Kommunikationstechnik“ liegt, stützen durchaus diese Einschätzung. Auch die riesigen und ständig wachsenden Satellitenanlagen auf den Wiener Dächern der russischen Diplomatensiedlung gehen möglicherweise nicht vorrangig auf die Unzufriedenheit des Botschaftspersonals mit der Verfügbarkeit passender Sender im heimischen Kabelfernsehen zurück. Wien agiere für Russland „als Knotenpunkt in der Signalaufklärung von NATO -Staaten“, schreibt die DSN. Und die Anlagen auf den russischen Vertretungen und Wohnungen „können gezielt auf militärische Satelliten von europäischen NATO-Staaten sowie internationale und nationale Organisationen ausgerichtet werden“.
Natürlich ist der österreichische Staat massiv gegen all die Umtriebe eingeschritten. Und das – wie man mit Stolz anmerken kann – im Vorjahr mit einer Aufklärungsquote von 100 Prozent. In ganzen vier Fällen. Mehr Tathandlungen von Spionage lagen nicht vor. Das könnte unter anderem daran liegen, dass in Österreich Spionage strafrechtlich nur verfolgt werden kann, wenn sie unmittelbar und klar zum Nachteil Österreichs erfolgt. Nicht etwa, wenn sie vorrangig andere Staaten schädigt. Oder deren Oppositionelle. Oder sich gegen die zahlreichen internationalen Organisationen richtet, die in Wien sitzen.
„Für Österreich entsteht dadurch ein erheblicher Schaden in Form des Verlusts internationaler Reputation und einer Minderung der Attraktivität als Standort internationaler Organisationen“, schließt die DSN daraus. Um das zu ändern müsste man allerdings ein Gesetz ändern und Spionage generell unter Strafe stellen, auch wenn in Österreich beispielsweise an der Atomenergiebehörde spioniert wird.
Jetzt hat das Parlament im Vorjahr aber ohnehin schon 184 Gesetzesbeschlüsse gefasst, darunter so wichtige wie das Zweckzuschussgesetz für Straßenbahnausbauvorhaben in Graz oder die gravierenden Änderungen im Rotkreuz-Gesetz bezüglich der Abgaben- und Gebührenbefreiung. Da hat man verständlicherweise nicht mehr für alles Zeit. +++