Endlich weiß ich es. Ich bin ja vor gut einem Jahr, meine lieben Blogleser und Innen, irgendwie ein wenig aus dem Nichts am Mondsee aufgetaucht, und ich wußte selbst nicht, woher ich kam, wohin ich wollte und so weiter. Gott sei Dank hat mich damals der Mitbewohner bei sich aufgenommen. Wir sind inzwischen eine richtig coole Bro-Wohngemeinschaft. Klassische Männer-WG halt. Neulich hat mir der Mitbewohner auf unserer Terrasse eine Art Hochsitz gebaut, damit ich den See besser beaufsichtigen kann. Ich hab sie natürlich sofort als Homebase zweckentfremdet, von der aus ich das Katzenschutznetz besser bearbeiten kann. Der Mitbewohner hat gleich sorgenvoll mit den Ohren geschlackert, das Weichei. Der ängstigt sich ja immer noch, dass ich eines Tage vom Geländer in die Tiefe falle.
Ich meine: Ich. Vom Geländer! Fallen!! Lächerlich!!!
Jedenfalls habe ich das Netz natürlich sofort ordentlich in die Mangel genommen. Der Mitbewohner hat schön blöd geschaut und sich wieder einmal gewundert, warum ich so wild sein kann, wo ich doch hauptsächlich immer nur meine sanfte Seite zeige. Ich weiß ja, dass er sich schon seit jeher Gedanken macht, wo ich herkommen könnte. Und immer, wenn er meinen wirklich super buschigen Schwanz sieht (ich bin, ganz offen und ehrlich miaut, selbst ein bissl stolz auf ihn, ihr könnt euch eh selbst ein Urteil bilden, wenn ihr euch das nebenstehende Foto anschaut), sagt er zu mir:
Schrödi, mein lieber Schrödi, ich wüßte zu gerne, was dein Vater für ein Kater und was deine Mama für eine Katze waren.
Wozu?, miaue ich dann immer zurück, aber das versteht er natürlich wieder nicht.
Mehr als Deutsch, Englisch und Französisch hat er halt einfach nicht drauf, kein Wort Katzisch, der hätte in seiner Jugend wirklich ein bissl besser auf die Bildung achten können.
Immerhin, er hat jetzt einmal damit begonnen zu recherchieren, wo meine Herkunft angesiedelt sein könnte. Und ich muss zugeben: Recherchieren, das kann er. Ist nicht umsonst Journalist, der Kerl. Da sitzt er dann an seinem MacBook und radiert mit der Maus quer über den Bildschirm. Ich muss gestehen, dass dieses komische Ding “Maus” heißt, ausgerechnet, stachelt mich dann schon immer ein bissl zur Jagd an. Aber ich habe mich im Griff und weiß: Der MB mag das nicht so, wenn ich meine Krallen in seinen Bildschirm schlage. Also spaziere ich halt stattdessen einfach einmal quer über die Tastatur, das bringt ihn auch jedesmal auf die Palme, aber er muss dann immer selbst drüber lachen. Man braucht in seinem Jungkaterleben einfach das eine oder andere kleine diebische Vergnügen. Und ich finde es lustig, wenn der Mitbewohner, der ja in Wahrheit mein bester Freund ist, sich ab und zu ein bissl ärgert.
Auf jeden Fall, ich komme jetzt zum Punkt: Der Mitbewohner hat bildschirmradiert ohne Ende, dazwischen immer wieder geklickt und geklickt, dann hat er Aha! und Oho! und Soso! gemurmelt und so weiter, und auf einmal schließlich: Peng!
Schrödi!, hat er gerufen, dass es mich fast vom Sessel neben ihm geschmissen hat, wo ich mich für ein kleines Schrödi-Nickerchen zusammengerollt hatte. Dieses Tiptaptopticktocktack oder so ähnlich der MacBook-Tastatur macht mich nämlich immer so schläfrig. Der Mitbewohner also: Schröööödi!
Und ich so: Miaaaaau?
Und der Mitbewohner hat ganz enthusiastisch seine Stirn in Falten gelegt, den Zeigefinger gehoben und damit die Luft vor seiner Hand durchschnitten, dann hat er gesagt, in einem feierlichen Tonfall:
Mein lieber Schrödinger, …
Ich sofort: Auweh. Denn immer wenn der Mitbewohner mich Schrödinger nennt – normalerweise sagt er ja einfach Schrödi zu mir, was ich eh super finde – dann habe ich entweder was ausgefressen oder er hat irgendeine blöde Idee, deren Folgen ich dann ausbaden muss, weil sie nicht klappt, oder sowas in der Art halt.
Mein lieber Schrödinger, hat der Mitbewohner also gesagt, jetzt weiß ich es, die Zeichen sind eindeutig: Dein Vater, der alte Kater, von dem niemand Genaueres weiß, muss eine Norwegische Waldkatze gewesen sein!
Miau?, habe ich geantwortet.
Ich meine: Norwegische Waldkatze? Was soll das sein. Wildkatze ja, Perserkatze auch, Bengalkatze meinetwegen, aber: Norwegische Waldkatze? Im Ernst jetzt?
Der Mitbewohner hat mich aufgeklärt: Das ist eine Katzenart, die sich völlig unberührt von züchterischen Absichten und Zwängen in Skandinavien entwickelt hat. Um mit der Kälte ihrer Heimat zurechtzukommen, verfügen Norwegische Waldkatzen, vor allem um die Brust herum, über besonders dichte, lange Haare. Stellen Sie sich vor – die hab ich auch, genau solche. Sie haben Ohren, an der Basis breit und nach oben spitz zulaufend, aus denen rechts und links ein kräftiges Haarbüschel wächst, mit oben drauf einer ganz kleinen Andeutung von Luchs. Hab ich auch. An ihren Hinterpfoten hört das lange Haar bei den Knien auf, das schaut ein wenig wie Gamaschen aus. Jetzt hab ich meine Hinterpfoten natürlich nicht so richtig im Blickfeld, aber der Mitbewohner schwört Stein und Bein, dass es bei mir von hinten so aussieht, als würde ich Gamaschen tragen. Also auch das: Check. Doch jetzt kommt´s: Norwegische Waldkatzen verfügen über den buschigsten aller buschigen Schwänze, ganz so, als ob sie ein Fuchs wären. Ganz ehrlich jetzt, über meinen Schwanz müssen wir ja wohl nicht lang diskutieren, oder? Jeder Fuchs um den Mondsee wäre glücklich und stolz, würde ihm hinten so ein prächtiger Wuschelwischer rauswachsen wie mir.
Ich war eh schon geneigt, dem Mitbewohner das mit der Norwegischen Waldkatze abzunehmen, da rückte er noch zusätzlich mit dem finalen Beweis heraus: Norwegische Waldkatzen sind sowohl zäh wie auch zutraulich, praktisch hart und zart zugleich. Na also bitte: Ich bin ja voll der Draufgänger und Forscher einerseits, ich schmeiße mich jeder Gelse mit Mut, Kraft und Ausdauer entgegen, die in unsere Mondseer Wohnung einfliegen und den Mitbewohner stechen will, und zeige ihr, wo der Schrödi den Most holt. Gleichzeitig aber bin ich auch der wuscheligste, kuscheligste Katerschmuser, den man sich vorstellen kann. Und wenn mich der Mitbewohner zuerst hinter meinen Ohren, dann unter meinem Goscherl und schließlich noch auf Brust und Bauch krault, dann schmelze ich dahin wie das Nassfutter auf meinem Teller, wenn ich von der Gelsenjagd zurückkomme und so richtig hungrig bin. Hart und zart zugleich – das trifft es wunderbar, besser könnte ich mich selbst auch nicht beschreiben.
Und es wird noch besser: Norwegische Waldkatzen sind trotz ihre Natürlichkeit zarte Seelen von sanfter Natur. Genau wie ich. Und das Wichtigste: Sie suchen sich einen Menschen aus und gehen mit dem dann eine unglaublich enge Bindung ein.
Was soll ich da sagen: Der Mitbewohner und ich, wir sind ja sowas von Bros. Two of a kind. Der ist mein bester Freund, und wenn er mir das immer wieder ins Ohr flüstert und sich dabei von meinem norwegischen Waldkatzenhaarbüschel die Nasenspitze kitzeln lässt, weiß ich: Ich bin auch sein bester Freund. Ohne den Mitbewohner wäre ich nicht der Schrödi, der ich bin. Und er wäre ohne mich nicht der Mitbewohner, der er ist. Nie, nie nie würde ich ohne ihn … Und ich bin ganz sicher: Er ohne mich auch nicht. Zusammen sind wir K&K, Klaus und Kater.
Zweifellos hat der Mitbewohner recht: Mein Papa, von dem ich nichts mehr weiß, hat mir seine norwegischen Waldkatzengene vererbt. Und meine Mama war vielleicht eine Deutsche Langhaarkatze. Jetzt, wo ich das weiß, bin ich richtig stolz darauf, woher ich komme. Den Vaterkater sehe ich vor mir, wie er in seiner Jugend norwegische Wälder durchstreifte und abends dann zuhause bei seinen Menschen vor dem Kamin einschlief. (Ich kann das übrigens auch super. Schaut euch nur das Foto links an.) Und vermutlich hat er sich dann in meine Deutsche Langhaarkatzenmama verliebt, ist ihr zuliebe irgendwohin an die österreichisch-bayerische Grenze gezogen, Freilassing vielleicht oder Rosenheim, was weiß ich. Und als sie mit ihrer Familie einmal einen Ausflug an den Mondsee gemacht haben, muss ich ihnen wohl – ganz neugieriger Forscher, der ich ja von Klein auf schon immer war – entwischt sein. So bin ich bei meinem Bro, dem Mitbewohner gelandet.
Durch dessen Gene tänzelt übrigens, auch wenn man ihm das wirklich nicht ansieht, ein wenig italienisches Vorfahrenblut, Dolomiten oder sowas in der Art. Aber auch er weiß das nicht so genau, weil seine Südtiroler Großmutter, die sein Opa vor über hundert Jahren an den Mondsee in den Gasthof Blaue Traube geholt hat, lange vor der Geburt des Mitbewohners gestorben ist, ihm also nichts über ihre Heimat erzählen konnte. Ich weiß vom Mitbewohner auch, dass er eine Tochter hat, die lebt ganz weit weg in einem Land, das Schweden heißt. Liegt angeblich, hat der Mitbewohner mir heute erzählt, in der Nähe der norwegischen Wälder, durch die mein Papa als junger Kater gestreift sein musss. Mir gefällt das: Mein Papa in Skandinavien. Und die Tochter des Mitbewohners auch.
Ich sag’s ja, wir zwei, der Mitbewohner und ich. Two of a kind. Er kann sich diesen Sommer am Abend besonders entspannt schlafen legen und die Terrassentüre offen lassen. Weil jetzt, wo ich endlich meine Wurzeln kenne, werde ich meine norwegische Waldkatzenzähigkeit nach Kräften einsetzen, um die Gelsen alle zu killen, die ihn stechen wollen. Keine Angst, Mitbewohner. Nicht mit mir. So wahr ich Schrödinger bin, der von einem Norwegischen Waldkater abstammt! +++