Eine „untadelige Person“ verlangte Werner Kogler – zurecht – als Bundeskanzler, nachdem die Affäre um Sebastian Kurz losgebrochen war. Gleiches gilt wohl auch für EU-Spitzenkandidaten. Jetzt kann sich jede und jeder politisch Interessierte selbst ein Urteil darüber bilden, ob Lena Schilling diesem vom grünen Parteichef verlangten Standard entspricht, und ob charakterliche Defizite die Eignung als Spitzenpolitikerin beeinflussen.
Worüber jedoch kein Zweifel besteht, ist die Doppelmoral der grünen Parteispitze. Von allen anderen jahrelang Transparenz und Sauberkeit einzufordern und dann selbst im Anlassfall nur das „Privat – betreten verboten“-Schild mit dem Zusatz „Vorsicht: bissiger Kogler“ rauszuhängen, ist armselig.
Dabei wussten offensichtlich viele bei den Grünen bereits Bescheid über die Gerüchte, als Lena Schilling zur Spitzenkandidatin gekürt wurde. Man hatte also erstens keine Bedenken, dass die Klima-Aktivistin charakterlich ungeeignet wäre, und zweitens wochenlang Zeit, sich auf den zu erwartenden medialen Shitstorm vorzubereiten. Koglers Satz vom „anonymen Gemurkse und Gefurze“ war dann noch die implizite Aufforderung an alle Betroffenen, mit den Vorwürfen gegen Schilling aus der Anonymität herauszukommen.
Ein klassischer Selbstfaller. Krisenkommunikation geht anders, Herr Vizekanzler, hier war die Kommunikation Teil der Krise. Und wenn man geglaubt hat, mit einer Pressekonferenz von vier Parteigranden und deren Solidaritätsbekundungen die Sache beenden zu können, ohne in der Sache einen einzigen Vorwurf zu bestreiten oder gar zu widerlegen, kommt der Vorwurf der politischen Naivität noch hinzu.
Es sei “leider zu erwarten gewesen”, dass besonders gegen eine junge, kompetente und engagierte Frau besonders heftig agiert werde, so Kogler in der eilig einberufenen Pressekonferenz. Das klingt bereits nach Karl-Heinz Grasser. Der war auch „zu jung, zu intelligent, zu gut ausgebildet und zu schön“ und wurde nach eigenem Befinden nur deshalb angefeindet.
Bemerkenswert dann auch die jüngste Reaktion der grünen Parteispitze. Der „Standard berichtet: “Intern soll weiterhin die Suche nach jenen Abgeordneten laufen, die Informationen an den STANDARD weitergegeben hatten.”
So sieht also die Reaktion der Grünen aus? Der Partei, die nach eigenen Angaben für Transparenz steht? Die “Verräter” suchen, die – mutmaßlich – die Wahrheit ans Licht gebracht haben? So sieht Demontage mit eigenen Händen und Worten aus. +++