Ein beliebtes Spiel vor Nationalratswahlen ist es, dass sich die Vertreter aller möglichen Institutionen, Gruppierungen, Verbände, Vereine und wessen auch immer in Stellung bringen und laut rufen: Wir brauchen mehr Geld! Sonst!! Bricht die Welt zusammen!!!
Hintergrund: Die Politik befindet sich in den Monaten vor dem Urnengang händeringend auf der Suche nach Wählern und tut sich schwer, finanzielle Forderungen einzelner Gruppen einfach so abzulehnen. Denn dann droht der Verlust von Stimmen. Also werden schamlos Wahlzuckerl aller Arten und Größenordnungen eingefordert – und von wahlwerbenden Politikern und ihren Parteien, die ja nur sehr rudimentär das Staatsganze im Blick sondern hauptsächlich den eigenen Vorteil als Karotte vor den Augen hängen haben, auch verteilt.
Natürlich ist das auch diesmal so, mit einer charmanten Neuerung: Die Musikwirtschaft – ja, wir verfügen in Österreich tatsächlich über eine Musikwirtschaft – ist draufgekommen, dass sie ja mitfordern könnte. Und hat flugs eine Studie in Auftrag gegeben, derzufolge sie, also die Musikwirtschaft, unglaublich wichtig für Österreich ist. Man trage den drittgrößten Teil aller Branchen zur Wertschöpfung des Landes bei, jeder Musikschaffende generiere 16 Arbeitsplätze und mit 7,5 Milliarden Wertschöpfung pro Jahr erwirtschafte man immerhin 2,8 Prozent des BIP. Also möge der Staat, bitteschön, in Zukunft gefälligst mehr in die Branche investieren, und zwar kräftig. Anders gesagt: Rückt rüber mit dem Zaster, Politiker!
Ordnen wir das ein und schieben wir ein wenig zurecht: Den größten Beitrag zur heimischen Wertschöpfung leistet (Zahlen aus 2022) der Dienstleistungssektor – und zwar mit 277,7 Mrd. Euro, das sind 69,4 Prozent. Dann folgt die Industrie mit 116,8 Mrd. Euro (29,2 Prozent). Allein die Baubranche, ein Teil der Industrie, trug 2022 dazu 30 Milliarden bei. Die Bruttowertschöpfung pro Jahr in Österreich, also das Bruttoinlandsprodukt, betrug ein wenig über 400 Milliarden Euro. Wenn wir von diesen Werten aus hochrechnen, wären 2,8 Prozent tatsächlich 11,2 Milliarden – und nicht 7,5, wie die Musikwirtschaft behauptet. Man ist da also schon ein wenig enthusiastisch bei der Bewertung der eigenen Bedeutung. Ebenso wie bei der Einschätzung, dass im heimischen Musikbusiness 117.000 Menschen beschäftigt seien. Kaum vorstellbar außerdem, dass der lokale Dorf-Zitherspieler oder der nächstbeste Straßengitarrist tatsächlich jene durchschnittlichen 16 Arbeitsplätze generieren soll, von der die Musikwirtschaft behauptet, dass er es tut. Alle oben angegebenen Zahlen stammen übrigens vom Statista-Instutut, das bei der Erhebung wirtschaftlicher Daten üblicherweise sehr gründlich und verlässlich vorgeht.
Anders gesagt: Solche Bahuptungen sind Humbug. Und als solcher werden sie in Normalzeiten auch behandelt. Doch vor Nationalratswahlen ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Politiker darauf hereinfällt und den großen Geldregen verspricht. Man wird also als Wähler besonders genau hinsehen müssen. Vor allem auf jene Politiker, denen eine gewisse Nähe zum Musikgeschäft nicht abzusprechen ist. Egal, ob es sich dabei um Punk- oder Humtatatrallala-Blasmusik handelt +++