Start Siegls Senf Immer wieder Gewessler und das russische Gas

Immer wieder Gewessler und das russische Gas

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Vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs – also vor mehr als zwei Jahren – bezog Österreich etwa 80% seiner Gasimporte aus Russland. Mit den EU-Sanktionen gegen das Putin-Regime kündigte die Bundesregierung einen schrittweisen Ausstieg aus den Russland-Importen an. Das Gegenteil trat ein: Aktuell schwankt dieser Anteil zwischen 87 (Februar 2024) und 98% (Dezember 2023), liegt also trotz aller Absichtserklärungen der Bundesregierung in Dauerschleife höher als jemals zuvor.

Nun kündigt Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler abermals den schrittweisen Ausstieg an. Diesmal aber wirklich! Die Lösung, für die sie mehr als zwei Jahre gebraucht hat: Ein Gesetz muss her! Einen Vorschlag dafür hat sie bereits dem Koalitionspartner übermittelt. Demzufolge soll im Winter 2024/2025 der Russland-Anteil auf 60% sinken, 2028 soll gar kein russisches Gas mehr bezogen werden. „Der Markt“ habe versagt, also müsse ein Gewessler-Gesetz das Problem lösen.

Das Ganze heißt „Diversifizierungspflicht für Gasversorger“. Abgesehen von der semantischen Kleinigkeit, dass Diversifikation in der Beschaffung die Aufteilung des Ausfallrisikos auf mehrere Lieferanten bedeutet und das Kappen eines (Haupt-)Lieferanten somit eher das Gegenteil bewirkt, bleiben etliche inhaltliche Fragen offen.

Bisher hieß es immer, der Take-or-Pay-Vertrag der OMV mit der russischen Gazprom, also die Zahlungsverpflichtung, selbst wenn man kein Gas bezieht, stünde einer Lösung entgegen. Noch im Februar beteuerte die Ministerin im ORF, nicht einmal die Inhalte des Vertrages zu kennen, und jetzt alles kein Problem mehr? Immerhin ist die OMV ein teilstaatliches Unternehmen mit etwa 20.000 Beschäftigten. Wer kommt für den allfälligen Schaden auf? Die Steuerzahler?

Auch das Problem der mangelnden Leitungskapazitäten aus Deutschland, das laut Gas Connect erst Mitte 2027 – falls alles plangemäß klappt – behoben werden kann, scheint plötzlich per Gesetz weggezaubert werden zu können. Ebenso kommt die bisherige Säumigkeit der Energieministerin gegen die mutmaßlich EU-rechtswidrige deutsche Gasspeicher-Umlage, die heimische Importe aus dem Norden empfindlich verteuert, in der Gewesslerschen Gebetsmühle noch immer nicht vor.

Wenn alles so einfach ist, dass nur ein Gesetz beschlossen werden muss, in dem man den Gasversorgern alle Probleme umhängt, warum hat die Energieministerin dann mehr als zwei Jahre lang für einen ersten Entwurf gebraucht? Oder geht es am Ende nur darum, im Wahlkampf beim Vorwurf das Problem verschlafen zu haben, auf einen Gesetzesentwurf verweisen zu können, der halt – was für ein Unglück – nicht die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit gefunden hat? Dafür sei dann die Schuld aber bitte bei allen anderen Parteien zu suchen, aber niemals bei den Grünen. +++