In Salzburg macht sich Erleichterung breit. Eine Woche nach der Wahl hat eine gar seltsame, um nicht zu sagen schrullige Koalition aus SPÖ-, ÖVP- und FPÖ-Wählern das allgemeine Schreckgespenst der zivilisierten Welt, einen KPÖ-Bürgermeister nämlich, verhindert. Gemeinsames Motto, unter dem alle nach dem ersten Wahlgang bis auf die Knochen erschrockenen braven Bürger nun bei der Stichwahl ihr Kreuzerl gemacht haben: Salzburg darf nicht Graz werden!
Der Gedanke dahinter: Ein kommunistischer Bürgermeister? Gott steh uns bei. Stellt sich die Frage: Wie schlimm wäre es wirklich, hätte Kay-Michael Dankl den Bürgermeistersessel tatsächlich erobert? Wäre das Salzburger Universum dann von einem dunkelroten Loch verschluckt worden, aus dem kein Licht mehr dringen kann? Wäre die fein ziselierte Salzburger Ökonomie, eine erfolgreiche Mischung aus Mir-san-mir-Gehabe, traditionellem katholisch-konservativen Unternehmertum, althergebrachter Kulturwirtschaft Marke vergangenes Jahrtausend und Tourismus-höriger Geldmacherei, dann wirklich zusammengebrochen? Oder anders gefragt: Hätte eine Bürgermeister-KPÖ den Salzburger Bürgerwohlstand an die Wand gefahren?
Wagen wir zuallererst einmal den Blick nach Graz, wo die kommunistische Bürgermeisterin Elke Kahr seit mittlerweile zweieinhalb Jahren in einer Koalition mit den Grünen regiert. Da zeigt sich: Die Stadt pfeift finanziell aus dem letzten Loch. Aber nicht wegen dunkelrot-grüner Misswirtschaft, sondern weil in den Jahren davor ein ÖVP-Bürgermeister in beinahe schon beispielloser Verantwortungslosigkeit viel mehr Geld ausgegeben als eingenommen hat. Anders gesagt: Die ÖVP hat den Grazer Bürgerinnen und Bürgern eine Schuldensuppe eingebrockt, die die neuen Regenten von KPÖ und Grünen nun auslöffeln müssen. Noch einmal anders gesagt: In Graz konnte die ÖVP Wirtschaft: nicht. KPÖ und Grüne beweisen gerade, dass sie es ihrerseits sehr wohl können. Denn die Grazer Schulden werden nach und nach abgebaut. Und zwar durch eine in Graz völlig neue Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und der unter Altbürgermeister Siegfried Nagl ausgeuferten Zubetoniererei zu Gunsten einiger weniger sogenannter “Investoren” reihenweise Absagen erteilt. Gebaut wird trotzdem – in Sachen Verkehr zum Beispiel eine ganz neue Straßenbahnlinie und zahlreiche Radwege. Dort, wo die ÖVP früher für Autoverkehr und Stau durch Straßenbau gesorgt hat, entstaut es sich nun langsam wieder. Und große Überraschung: Die Bauwirtschaft ist nicht in den Orkus gestürzt – denn gebaut wird ja trotzdem. Unter der KPÖ-Bürgermeisterin allerdings eben sinnvoller und menschenbezogener als unter dem ÖVP-Bürgermeister.
Aber lassen wir Graz beiseite und sehen wir uns die Wirtschaftskonzepte der KPÖ an. Den Gemeinnützigen Wohnbau würde Dankl in Salzburg forcieren – und wird das womöglich als Wohnbaustadtrat künftig wohl auch tun. Der Wunsch, Konzerne zu verstaatlichen, kommt auch nicht von der KPÖ, sondern von SPÖ-Chef Andreas Babler, der von sich selbst sagt, dass er Marxist ist. Die ÖVP hat – das reicht vom lokalen Bürgermeister der nächstbesten Gemeinde bis hinauf zur Regierungsspitze – zweifellos eine gewisse Tendenz, Geld in Richtung der Taschen von Großinvestoren zu wirtschaften. Nicht selten geht das ein wenig schief, schlag nach bei Benko. Im Parlament läuft gerade ein Untersuchungsausschuss, der klären soll, ob und in welchem Ausmaß der ÖVP-Finanzminister in der Corona-Pandemie Förderungen aus Steuertöpfen besonders großzügig an ÖVP-nahe Großunternehmen verteilt hat. Sicher scheint: ÖVP-nahe Unternehmer sind kaum jemals zimperlich, wenn es ums Freisetzen von Mitarbeitern geht, aber schnell beim Nachfragen von Förderungen. Stefan Pierer etwa, einer der ÖVP-Großspender der Vergangenheit, könnte in seinem KTM-Unternehmenskonglomerat heuer laut Medienberichten womöglich beinahe 500 Jobs streichen.
Schwarze Wirtschaftskompetenz ist das alles nicht. Was man der KPÖ also als fehlend ankreidet, besitzt ganz offensichtlich die ÖVP – jene Partei, die seit Jahrzehnten den Wirtschafts- und Finanzminister und seit einigen Jahren auch den Bundeskanzler stellt – auf Bundesebene nicht. Warum sollte sie lokal etwas können, was sie überregional nicht beherrscht. Anders gesagt: Viel mehr als die ÖVP kann die KPÖ auch nicht falsch machen. Ob es dabei bleibt, sind die Dunkelroten erst an der Macht, wird sich zeigen. In Graz zeigt sich: Es scheint eher dabei zu bleiben.
Ja, natürlich: Gleichmacherei in bester Kommunisten-Manier ist immer eine Nivellierung nach unten und ökonomische Dummheit. Aber Geld in bester Konservativen-Manier in die Taschen weniger ohnehin schon Wohlhabender zu wirtschaften, ist auch nicht das Gelbe vom Ei. Permanent in den Markt einzugreifen ist ebenso Blödsinn wie den Markt völlig frei und unreguliert arbeiten zu lassen.
Was es braucht, wären innovative Wirtschaftskonzepte, sowohl für Österreich wie auch für Länder und Kommunen. Endlich eine dramatische Senkung der Arbeits- und Lohnnebenkosten zum Beispiel. Eine dramatische Entstaubung der Bürokratie. Standortanreize durch deutliche Steuersenkungen bis hin zu möglichen Flat-Tax-Lösungen, die dann Unternehmen ins Land holen, Arbeitsplätze schaffen, Löhne steigen lassen und so über die Umwegrentablität neue Steuereinnahmen zum Sprudeln bringen. Dass die ÖVP das alles nicht kann, hat sie in der Vergangenheit bewiesen. Noch einmal: Finanzministerium, Wirtschaftsministerium, Bundeskanzleramt, in Salzburg und Graz, in Land und der Stadt – alles seit langer Zeit ÖVP-geführt. Die SPÖ kann es zwar womöglich auch nicht, das wird sich zeigen, zumindest auf Kommunen-Ebene in Salzburg. Vielleicht ist es ja sogar eine vertane Chance, es nun die KPÖ nicht einmal versucht haben zu lassen.
In Graz jedenfalls ist das Experiment KPÖ alles andere als schief gegangen. Die Stadt erholt sich langsam aber doch aus der ÖVP-verschuldeten Finanzmisere. Sinnvolle Baumaßnahmen statt flächendeckende Errichtung von Beton- und menschenunwürdigen Schuhschachtelwüsten werden gesetzt. Keine Spur von kommunistischer Gleichmacherei. Keine Spur davon, dass die KPÖ Wirtschaft nicht kann. Vielleicht hätte Salzburg das Experiment ja doch wagen sollen – und dann bei der nächsten Wahl die Noten verteilen. Von Nicht Genügend bis Sehr Gut wäre womöglich alles drin gewesen. +++