Händeringend werden landauf, landab Lehrer gesucht. Schulleiter, die keine finden, sind angeblich der Verzweiflung nahe. Im Bildungsministerium rauchen die Köpfe, was dagegen unternommen werden könnte. Also hat man nach ewigem Hin und Her die Möglichkeit erfunden, sogenannte “Quereinsteiger” als Lehrer an Schulen der Sekundarstufe (also Neue Mittelschule, AHS und BHS) zuzulassen. Akademiker mit ausreichend Berufspraxis sollen zum Umstieg animiert werden. Problem: Trotzdem finden sich immer noch kaum Menschen, die es aus der Privatwirtschaft zum Lehrerberuf zieht. Warum ist das so? Ich nehme mir vor, dem nachzugehen – und bewerbe mich kurzerhand als Lehrer. Schauen wir einmal, was passiert:
Die Suche nach Information im Internet ist nicht einfach, aber auch nicht kompliziert. Das Bildungsministerium hält – schlecht formulierte – pdf-Dokumente zum Download bereit, sogar ein Q&A-Papier gibt es. Das ist zwar genau so verfasst, wie man es nicht macht, aber soll sein. Ich weiß nun zumindest: Gefordert werden ein abgeschlossenes Studium (Minimum Bachelor), drei Jahre einschlägige Berufspraxis und 180 ECTS-Punkte. Für mich als Journalist mit einem Master in Journalismus, einem gleichwertigen Uni-Abschluss in Public Relations, einem abgebrochenen Publizistik-Studium und mittlerweile über drei Jahrzehnten einschlägiger Berufserfahrung bedeutet das: Forderung 1 und Forderung 2 – check. Problem jetzt aber: Ein Master hat, obwohl an sich höherwertig als ein Bachelor, weniger als die geforderten 180 ECTS-Punkte, also: Pech gehabt.
Na gut, denke ich mir, mache ich halt einfach mein Publizistik-Studium fertig, so viel ist das ja nicht mehr, hole mir den Bachelor mit seinen 180 Publizistik-ECTS-Punkten ab, und los geht’s.
Kurz gesagt: denkste.
Denn jetzt ist auf einmal die Berufspraxis das Problem. Das Bildungsministerium in seiner unerschöpflichen Weisheit schreibt nämlich vor, dass die Berufspraxis nach (!) Abschluss des Studiums erworben sein muss. Anders gesagt: Meine mehr als drei Jahrzehnte Berufspraxis, einiges davon in Leitungsfunktionen, zählen nicht. Drei Jahre als Berufseinsteiger nach dem Studium im selben Beruf würden aber sehr wohl zählen. Das ist kafkaesk. Doch ich habe die Lösung: Meinen Journalismus-Master habe ich berufsbegleitend erworben und danach bereits über ein Jahrzehnt im Journalismus verbracht. Das würde mir erlauben, Deutsch und Geschichte zu unterrichten. Also: Ein Bachelor in Publizistik, ein Master in Journalismus, und nach letzterem mehr als ein Jahrzehnt Berufserfahrung – das muss reichen. Los geht’s, diesmal aber wirklich.
Kurz gesagt: noch einmal denkste.
Denn das Zusammenziehen zweier verschiedener Studien ist auch nicht erlaubt. Daher zählt die nach dem Journalismus-Master erworbene Berufserfahrung nicht. Hätte ich umgekehrt studiert, zuerst Journalismus und dann Publizistik – die Sache wäre gebongt. Es wird immer kafkaesker und ich frage mich, welcher verschraubte Betonschädel im Bildungsministerium sich das ausgedacht haben mag.
Das war’s also. Experiment viel schneller als gedacht auch schon wieder beendet: Ich kann nicht Lehrer werden. Obwohl die Voraussetzungen eigentlich stimmen würden.
Dass die gesamte Prozedur – ich habe mir auch einen Beratungstermin beim Quereinsteiger-Berater der Bildungsdirektion Steiermark geben lassen – in zwischenmenschlicher Hinsicht ebenfalls eher frustrierend gelaufen ist, schiebe ich beiseite. Nur soviel: Ich bin schon viele Jahre nicht mehr so arrogant, so kurz angebunden und so wenig entgegenkommend behandelt worden wie von diesem Menschen. Es war offensichtlich, dass er lieber in Ruhe seinen Vormittagskaffee getrunken hätte als von einem derart lästigen Interessenten wie mir davon abgehalten zu werden.
Schlussfolgerung: Dass es so wenig Lehrer gibt und sich keine nennenswerte Zahl von Quereinsteigern findet, liegt nicht an fehlenden Interessenten, sondern an der Arroganz und Inkompetenz der Bildungseinrichtungen. An den kafkaesken Hürden, die man vor Willigen aufgebaut, ihnen als Steine in den Weg gelegt hat. An lebensfremden und wirklichkeitsfeindlichen Vorschriften. An abschreckender Behandlung von Interessenten und erheblicher unnötiger Bürokratie (von der ich hier gar nicht weiter erzählen will). Das hält moderne, vernünftige Menschen davon ab, es sich anzutun.
Unser Bildungssystem ist zweifellos schwer krank. Die dafür Verantwortlichen sind längst aus der Welt und aus der Zeit gefallen. Sie gehörten aus ihren Funktionen entfernt, damit nicht noch größerer Schaden entsteht. Fähigere, Engagiertere, Modernere, Lebensbejahendere sollten rasch übernehmen – die Bürokraten mit den Ärmelschonern aus Beton sollten wir – unabhängig von ihrem Alter – ins Ausgedinge verabschieden. Sie schaden der Bildung. Sie schaden den Jungen. Und damit schaden sie der Zukunft unserer Gesellschaft. +++