Es wird also bierernst: Dominik Wlazny und seine Bierpartei wollen bei der nächsten Nationalratswahl antreten. Erfahrung habe er genug, so der Arzt, Musiker und Bierbrauer, immerhin sei er derzeit der längstdienende Parteichef in Österreich.
Er selbst positionierte sich politisch in der Mitte, dort „wo man an der Bar am nächsten zum Zapfhahn sitzt.“ Tatsächlich sind die bisher bekannten Fragmente eines politischen Programms der Bierpartei aber links der Mitte zu verorten, weshalb bei der SPÖ auch gleich Schnappatmung einsetzte. Wlazny solle gefälligst bei der SPÖ eintreten und nicht links der Mitte Schaden anrichten, so der Tenor. Eine interessante Lesart der Demokratie: Wer auf der linken Seite antreten darf, bestimmt noch immer die SPÖ.
In der Tat könnte die Sitzordnung im neu gewählten Parlament bald unübersichtlich werden. Die Bierpartei braucht 40 Promille – für Nicht-Alkoholiker: vier Prozent – der Stimmen, um bierselig werden zu können. Nach Wlaznys drittem Platz bei der Bundespräsidentenwahl schaffte es die Bierpartei in den Umfragen sogar auf bis zu 10 Prozent. Tritt dann auch noch Othmar Karas mit seiner „Liste OK“ an und schaffen es beide samt der neu erstarkten KPÖ über die 4-Prozent-Hürde, dann säßen künftig acht Parteien im Parlament.
In diesem Fall würde tatsächlich Herbert Kickl vergnügt das Krügerl heben können, denn dann ginge sich ohne die FPÖ wohl nur mehr eine Vier-Parteien-Regierung aus. Wie sich dann beispielsweise Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger über Vermögenssteuern im Regierungsprogramm einig werden sollten, erschließt sich nicht sofort. Bei der SPÖ und ihrem neuen Vorsitzenden würden hingegen mehr als 40 Promille für die Bierpartei wohl ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen.
Die Chancen für die Bierpartei liegen aber sowohl taktisch als auch demokratiepolitisch stark bei den bisherigen Nicht-Wählern. Fast 25 Prozent der Wahlberechtigten verzichteten 2019 auf ihr Recht, über die Zusammensetzung des Parlaments mitzuentscheiden. Dazu kommen noch etwa 2 Prozent für Peter Pilz und seine Liste Jetzt, die sich nun neu orientieren müssen. Gerade für die Jüngeren unter ihnen könnte ein schmähbegabter Punk-Musiker mit Zug zum Zapfhahn ein Motiv darstellen, doch zur Abwechslung ein Wahllokal aufzusuchen.
Wichtig für Wlazny wird neben der Finanzierung des Wahlkampfs auch sein, thematisch sattelfester zu werden. „Red´ ma drüber“ hat für die 8,3 Prozent bei der Bundespräsidentenwahl gereicht, aber für einen Einzug ins Parlament wird es mehr programmatische Tiefe brauchen. Und die Listenerstellung könnte für die Bierpartei ebenfalls kritisch werden. Ein einziges faules Ei auf der Kandidatenliste, auf das sich die Medien stürzen, kann die ganze bisherige Erzählung entscheidend überschreiben.
Generell bröckelt aber das Parteiensystem, wie wir es kennen. SPÖ und ÖVP bildeten jahrzehntelang zusammen die Große Koalition, kommen aber alleine auf keine Mehrheit mehr. Beispiele aus Italien oder Frankreich zeigen: Auch ehemalige Großparteien können marginalisiert werden, wenn neue, erfolgreiche Bewegungen entstehen. Österreich könnte bei der Wahl einen weiteren, kleinen Schritt in diese Richtung gehen.
Und zum Schluss noch einmal ganz bierernst: Der amtierende Kanzler trinkt sein Bier lieber stark gewässert, wenn er medienwirksam am Kirtag das Krügerl auf ex ansetzt. Dies ist bei Dominik Wlazny zumindest auszuschließen. Ein Mann, der sein Selbstgebrautes „Turbobier“ nennt, predigt nicht Bier und trinkt Wasser. +++