2024 wird gerade gerne als „Super-Wahljahr“ bezeichnet. So super verspricht das Jahr politisch aber nicht unbedingt zu werden. In den beiden wichtigsten Demokratien der Welt drohen mit Donald Trump und Narendra Modi zwei Politiker mit autokratischen Tendenzen wiedergewählt zu werden.
In der für uns wichtigsten Demokratie, in Österreich also, stehen gleich vier wichtige Wahlen (EU, Nationalrat, Steiermark und Vorarlberg) an und überall hat die ÖVP einen ersten Platz zu verteidigen. Mit Sympathieträgern von Wolfgang Sobotka bis Klaudia Tanner arbeitet sie aber täglich daran, gerade das zu verhindern.
Am 9. Juni finden die Wahlen zum EU-Parlament statt und nach den ersten Umfragen könnte die FPÖ dort ihren Stimmenanteil fast verdoppeln. Die Volkspartei droht hingegen ein Drittel ihrer Wähler von 2019 zu verlieren, was sogar Platz drei bedeuten könnte. Diesen „Schwung“ könnte die Kanzlerpartei in die Nationalratswahl mitnehmen und auch dort auf dem untersten Stockerlplatz landen.
Umgekehrt wird die FPÖ versuchen, das zu ihr zurückgekehrte Sieger-Image in einen stabilen ersten Platz im Nationalrat umzumünzen. Das Kalkül dabei: Mit einem soliden Dreier vorne würde es mathematisch wie moralisch schwierig, ihr den Kanzlersessel zu verweigern. Noch dazu wird die Themenlage mit deutlich höherer Teuerung als im Rest von Europa, hohen Energiepreisen, Signa-Pleite und mangelndem Personal von Kranken- bis zu Wirtshäusern weiter die Protest-Stimmung befeuern.
Für die ÖVP ist die Lage taktisch komplexer. Es sieht danach aus, als würde sie die Nationalratswahl verlieren und die Koalitionsverhandlungen gewinnen können. Schafft sie noch Platz zwei, könnte sie in einer Koalition mit SPÖ sowie Grünen oder Neos zwar Macht verlieren, aber Kanzler-Partei bleiben. Bei Platz drei bliebe wohl nur mehr die Wiederauflage der Koalition mit der FPÖ – allerdings mit vertauschten Rollen. Junior-Partner unter Andreas Babler, noch dazu in einer Dreier-Koalition, wäre deutlich demütigender.
Einiges wird dabei auch von Othmar Karas abhängen. Er erklärte zwar unlängst in der „Presse“: „Ich werde alles dafür tun, dass die FPÖ in der nächsten Regierung nicht vertreten ist“. Tritt er aber, wonach es derzeit aussieht, mit einer seriös-langweiligen Altpolitiker-Riege als „Liste OK“ bei der NR-Wahl an, wird seine Ex-Partei wohl auf den dritten Platz zurück gereiht und damit Blau-Schwarz sehr wahrscheinlich. Sämtliche Lippenbekenntnisse einiger VP-Politiker, dies nicht zu wollen, sind spätestens seit der NÖ- und der Salzburg-Wahl nicht mehr ernst zu nehmen.
Damit könnte auch Österreich ein Stück in Richtung Autokratie rutschen: Denn eines kann man Herbert Kickl nicht vorwerfen, nämlich dass er einen größeren Teil seiner Vorhaben – von der Vorbildwirkung Viktor Orbans über Putin-Verstehen und Wissenschaftsskepsis bis hin zu Drohungen gegen die freie Presse – vor der Wahl verschweigen würde. +++