Start Business As Usual Wir brauchen Verleger statt Gebrauchtwagenhändler

Wir brauchen Verleger statt Gebrauchtwagenhändler

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Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Verlegern.

Solche, die es als ihren Unternehmensgegenstand sehen, Nachrichten zu produzieren und an die Nutzer ihrer Medien zu transportieren. Oder auch Entertainment, Einordnungshilfen zum Weltgeschehen, alles in diese Richtung. Und zwar auf so qualitätsvolle Weise, dass die Empfänger dieses Angebot auch nutzen und dafür bezahlen. Um das finanzielle Fundament für diese Tätigkeit zu stärken, verkaufen diese Verleger in ihren Medien auch Inserate. Und dann gibt es solche, die sehen ihren Unternehmenszweck darin, mit dem Verkauf von Inseraten Geld zu machen. Damit sie das tun können, benötigen sie Nachrichten (egal in welcher Qualität, in welcher Form und mit welchem Wahrheitsgehalt), die das Transportvehikel für den Inseratenverkauf darstellen. Ob Menschen ihre Medien gut oder schlecht finden und dafür bezahlen oder auch nicht, ist diesen Verlegern weitgehend egal. Hauptsache, die Inserate verkaufen sich.

Das sind zwei völlig unterschiedliche Modelle, die einander größtenteils sogar konterkarieren. Ersteres ist die Basis für korrekten Journalismus, der nicht nur den Menschen und ihrer Bildung gut tut, sondern auch der Entwicklung moderner Gesellschaften. Das zweite ist die Basis für die Entwicklung einer Gebrauchtwagenhändler- oder Teppichhändler-Mentalität, die Geld im Überfluss in die Taschen weniger kanalisiert. Das erste Modell verfolgen gebildete Menschen mit gesellschaftspolitischem Anliegen, mit Weitblick. Mit Gespür dafür, dass eine Gesellschaft danach streben muss, sich ständig zu verbessern, offener, gebildeter, sozialer, verantwortungsvoller zu werden. Das zweite Modell ist etwas für Glücksritter, die möglichst schnell und einfach Kohle machen wollen. Für Bazar-Feilscher ohne Charakter, Verantwortung oder Blick fürs Ganze.

Immer mehr Medienchefs gehören zur zweiten Gruppe. Die echten Verleger mit gesellschaftspolitischem und journalistischem Anliegen sterben aus. Zwischen Politikern und Vertretern der zweiten Verleger-Gruppe bilden sich zunehmend wenig vorteilhafte Allianzen und Beziehungen – siehe Sebastian Kurz und René Benko, siehe Beinschab-Tool – mit zweifelhaften Folgen für eine Gesellschaft. Ökonomisch verlieren dabei alle bis auf die ganz wenigen, die diese Art von Verlegertum planen, praktizieren und gutheißen. Medien, die ausschließlich davon leben, dass sie ihre Inhalte oder ihren Platz an alle verkaufen, die nur genug Geld auf den Tisch legen, behindern demokratische Gesellschaften beim Reifen ebenso wie Politiker, die davon leben, dass sie sich Platz in diesen Medien kaufen. Sie schaden auch den Ökonomien dieser Gesellschaften. Denn immer wird dabei Geld von vielen zu wenigen kanalisiert, ohne dass das einen gesellschaftlichen Mehrwert generieren würde. Im Gegenteil, es retardiert die betroffenen Systeme eher.

Der verlegerischen Landschaft fügt so ein Selbstverständnis schweren Schaden zu. Uninspirierte Medienmanager, Kurz denkende Politiker – Marketingschulen und vordergründigen Verkaufsakademien oder jedes Verantwortungsgefühl zermahlenden Parteiapparaten entsprungen statt humanistischen Bildungsstätten – treiben Tausende seriöse Kommunikationsarbeiter wie Journalisten und korrekte PR-Leute in die Arbeitslosigkeit. Sie verflachen mit ihren Produkten, die nur der Bewirtschaftung des eigenen Erfolges dienen, das kollektive intellektuelle Niveau. Eine schreckliche Tendenz mit schlimmen langfristigen Folgen für ein Land.

In Österreich ist diese Tendenz weit fortgeschritten. Das sieht man an allen Ecken und Enden. An Magazinen, die noch vor einem Jahrzehnt Flaggschiffe in ihren jeweiligen Bereichen waren und nun entweder eingestellt sind oder von ihren Eigentümern, Herausgebern und Chefredaktionen zu Friedhöfen für Anzeigen oder Medienkooperationen degeneriert wurden. Man sieht es an Chefredaktionen und Geschäftsführern, die unlauterer Agitationen überführt werden – und dann zwar ihrer Jobs verlustig gehen, jedoch sehr rasch wieder an neuen medialen Schaltstellen auftauchen. Auch das ist ein Zeichen für die kommunikative Verwahrlosung einer Gesellschaft. Und verwahrloste Gesellschaften verfügen nur selten über gesunde Ökonomien.

Sie glauben das nicht? Zäumen wir das Pferd einfach von hinten auf, also vom Standpunkt der Ökonomie. Was haben wir da in Österreich? Nun, wir haben eine Stagflation – das ist der Albtraum aller Ökonomen, weil es problematischer für eine Volkswirtschaft gar nicht mehr geht. Wir haben mit rund fünf Milliarden Euro eine Rekordpleite zu verdauen – im Übrigen aus dem direkten Umfeld eines hochgejubelten Supperreichen, der sich erst vor kurzem über komplexe Verschachtelungen in einige der größten Medien des Landes eingekauft und damit quasi zum Hobby-Medienmanager gemacht hat. Wir haben eine Inflationsrate, immer noch, die zu den höchsten in der EU zählt. Wir haben aberwitzig hohe Gehaltserhöhungen für Beamte zu verkraften. Wir haben fragwürdig sinnvolle Corona-Hilfen in der Höhe von gut 40 Milliarden, die uns und unseren Kindern noch Jahrzehnte als Rucksack am Buckel hängen werden. Wir haben einen gefährlichen Rechtsruck, eine noch viel gefährlichere Spaltung der gesellschaftlichen Gruppierungen. Das sind alles keine Bestandteile einer gesunden Ökonomie. Also?

Wir bräuchten wieder seriöse Verleger mit verlegerischem Anliegen statt mit der Mentalität von Gebrauchtwagenhändlern. Wir bräuchten wieder Medien, deren Qualität so gut ist, dass die Menschen gerne für ihre Inhalte zahlen – egal ob in gedruckter oder elektronischer Form. Wir bräuchten eine Vertretung dieser Medien, die sich nicht an der sinnlosen Kannibalisierung der einzig wirklich guten Nachrichten-Website im Land abarbeitet, weil auch dort Medienmanager mit Marketing-Hörigkeit statt verlegerischem Verantwortungsgefühl agieren. Kurz: Wir bräuchten in den Management-Etagen der Medienbranche wieder Verstand, Hausverstand, Weitblick, Charakter, Rückgrat und Verantwortung. Die Gebrauchtwagenhändler sollen Autos verkaufen gehen. Die überschätzten Medien-CEOs und Verlagseigentümer sollen ihre lukrierten Millionen realisieren und sich ins Privatleben zurückziehen statt einst renommierte Titel weiter abzuwirtschaften. Die mit ihnen kollaborierenden Chefredakteure von gestern und vorgestern, die ihren Job in der modernen Zeit einfach nicht können – oder nicht können wollen, weil er unbequem geworden ist – sollen sich verabschieden.

Wir brauchen wieder eine ordentliche Medienlandschaft in Österreich, in der verantwortungsvolle Auskenner agieren. Die wissen, was sie tun, und warum sie es tun. Wir brauchen Verleger mit verlegerischem Anliegen. Wir brauchen Journalisten mit journalistischem Anliegen. Und wir brauchen Menschen, die das zu schätzen wissen und alles andere ablehnen. Das wäre ein erster Schritt in ein wieder besseres Österreich. Das täte auch der auf Abwege geratenen Politik gut – und damit täte es auch unserer Wirtschaft gut. Und Sie wissen eh: Geht es der Wirtschaft gut, geht es … +++