Nachdem die ersten Dominosteine in René Benkos Signa-Firmengeflecht gefallen und die ersten Details um Struktur und Bilanzen publik geworden sind, mehren sich die Fragen, wie es soweit kommen konnte: Weshalb musste ein riesiger Konzern mit Immobilien bis zum New Yorker Chrysler-Building nie eine konsolidierte Konzernbilanz vorlegen? Warum wurden all die möglicherweise geschönten Bewertungen des Immobilienbesitzes nie hinterfragt? Wieso konnte die Signa Holding als Muttergesellschaft nach den Regeln einer kleinen (sic!) GmbH bilanzieren? Und weshalb fiel niemandem auf, dass bereits jahrelang keine Bilanzen im Firmenbuch hinterlegt wurden, obwohl es das Gesetz verlangt?
Gehen wir im Zweifel einmal davon aus, dass all das gerade noch legal war, aber – warum wurde niemand misstrauisch? Von Signa Holding Aufsichtsratschef Alfred Gusenbauer kann Bilanzlesen wohl nicht erwartet werden, aber was ist mit all den Milliardären, die ihr Geld in Benkos Immobilienreich investiert haben? Hans Peter Haselsteiner, jahrelanger Konzernchef der Strabag, oder die deutsche Managementberatungslegende Roland Berger – hat keiner dieser Management-Kapazunder nachgefragt? Die Strafen für die fehlenden Firmenbuchveröffentlichungen wurden den Vorständen und Geschäftsführern als Sachbezüge vom Unternehmen ersetzt und konnten in der Gewinn- und Verlustrechnung nachgelesen werden. Hat niemand bis zu dieser Zeile weitergeblättert? Alle nur geblendet von den Dividendenzahlungen? Galt der alte Grundsatz „Gier frisst Hirn“?
Oder die Kreditabteilungen großer Banken? Verleiht man wirklich locker Milliardenbeträge an Immo-Konzerne, die keine öffentlichen Bilanzen mehr vorlegen, die nicht mehr durchschaubare Firmenkonstrukte errichten? Und die Wirtschaftsprüfer, die Bilanzen prüfen und testieren müssen? Wie konnte es sein, dass außer dem früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der sein Investment bereits 2016 zurückzog, niemand Verdacht schöpfte? Natürlich haben es im Nachhinein viele schon immer gewusst, vor allem die notorisch Ahnungslosen, aber niemand außer Wiedeking handelte.
Vieles muss hier noch aufgearbeitet werden, doch auch für den Gesetzgeber wäre es angebracht, dafür vorzusorgen, dass ein Konzern von der Größe des Signa-Imperiums künftig auch konsolidierte Konzern-Bilanzen vorlegen muss, dass Strafen für fehlende Firmenbuchveröffentlichungen nicht mehr aus der Portokassa bezahlbar und dann auch noch von der Steuer absetzbar sind, und dass eine Holding, die Eigentum in zweistelliger Milliardenhöhe bündelt, nicht mehr als kleine GmbH bilanzieren kann. +++