Der diesmal pannenfrei wiedergewählte SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler verfügt über einige besondere Qualitäten: Er ist authentisch, was bei Spitzenpolitikern immer seltener wird. Was er sagt, ist nicht das Ergebnis von Meinungsumfragen, Strategieworkshops und Rhetorik-Trainings, sondern seine tatsächliche Meinung. Er ist nicht nur von sich selbst überzeugt, sondern auch von dem, was er von sich gibt.
Zweitens verfügt er – wie Peter Filzmaier – über die Fähigkeit, während des Sprechens innerhalb einer Zehntelsekunde neu einzuatmen und so eine Sprechgeschwindigkeit zu entwickeln, die mitunter jene seines eigenen Mitdenkens übertrifft. Und letztlich kann er mit diesen beiden Fähigkeiten und einer in ihm steckenden, reichhaltigen Lagerstätte an linkem Pathos einen beträchtlichen Sog auf Parteitagen entwickeln. Also bei Menschen, die vermutlich ihr ganzes Leben lang ohnehin nur SPÖ gewählt haben.
So konnte er in Graz von einer 20 Jahre währenden Herrschaft einer Rechtsregierung und einer „Periode der Abrissbirne“ sprechen, mit der ÖVP und FPÖ das Land verwüstet haben. Immerhin regierten in den vergangenen 20 Jahren die Herren Gusenbauer, Faymann und Kern das Land länger als die VP-Kanzler Schüssel, Kurz, Schallenberg und Nehammer. Diese Form der rhetorischen Geschichtsverdrehung fiel Babler auch leichter, weil alle sechs lebenden Vorgänger als Parteivorsitzende diesem Parteitag fernblieben.
Mit 88,8 Prozent erreichte Babler eine Zustimmung, die man gerade noch Geschlossenheit nennen kann. Nun muss er allerdings liefern, also eine Mehrheit aus FPÖ und ÖVP verhindern. Mit dem mitbeschlossenen Linksruck wird dies nicht möglich sein, denn selbst ein Plus bei der SPÖ würde vor allem zulasten von Grünen, KPÖ und Bierpartei gehen. Strategisch also ein Nullsummenspiel. Die Grünen sind aber derzeit in den Umfragen ohnehin auf den harten Kern der Klimawandel-Verängstigten reduziert, also scheint derzeit strategisch die KPÖ der Hauptgegner für die SPÖ zu sein.
Auch Wechselwähler oder enttäuschte Kurz-Wähler lassen sich mit Verstaatlichung und Eröffnung neuer, legaler Migrationswege für Afghanen kaum gewinnen. Bleibt also die Hoffnung auf Linkspopulismus der Marke „Eat the Rich“ – also eine Millionärssteuer, die alles zahlt, was man sich in SP-Parteigremien so an sozialen Wohltaten ausdenken kann. Konkret hieße das, jene 10 % der Bevölkerung, die laut Wifo-Studie ohnehin netto deutlich mehr als die Hälfte des bestehenden Sozialtopfes füllen, noch viel mehr zur Kasse zu bitten.
Doch Populismus zugunsten der „kleinen Leute“ beherrscht die FPÖ seit Jörg Haider deutlich besser und ohne die Angst bei Hausbesitzern zu schüren, demnächst als Millionäre zur Ader gelassen zu werden. Auch die rhetorische Spaltung des Landes in „unsere Leit´“ und „die dort oben“ spult Herbert Kickl deutlich professioneller ab und ohne durch Kleingartenumwidmungen von Bezirkskaisern an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Das alles deutet stark darauf hin, dass die nächste Nationalratswahl für die SPÖ kein geiles Ergebnis“ bringen wird, wie Babler seine 88,8 % in Graz nannte. Ohne ein solches Ergebnis wird der Traiskirchner Bürgermeister aber die 28 Monate von Christian Kern deutlich unterbieten und sich die „rote Laterne“ als Person mit der kürzesten Verweildauer im SPÖ-Vorsitz holen. +++