Diese kleinen Jungschildkröten, die vor Jahren als Teenage Mutant Ninja Turtles in Kinofilmen catchend und kämpfend durch die Lande zogen, die waren sowas von gestern. Heute, das ist Teenage Mutant Ninja Schrödi.
Der Jungkater, aus dem inzwischen ein recht stattliches Teenager-Exemplar geworden ist, das mit seinen sechs Monaten durchaus an die Größer etwas kleiner geratener, jedoch ausgewachsener Katzen heran reicht, entdeckt gerade seine Kräfte. Das bedeutet, er tritt ins Zeitalter des Rowdytums ein. Schrödinger, der immer noch sanft wie ein Lämmchen sein kann, hat mittlerweile auch den Status “wild” sehr gut drauf. Dann will er kämpfen. Er legt die Ohren an – für den Mitbewohner ein Zeichen, dass es jetzt ernst wird – und ist bereit zur Attacke. Auf alles. Angestachelt wird Schrödinger durch die Tauben draußen am Balkon, die ihn zur Weißglut treiben, wenn sie am wilden Wein der benachbarten Hauswand hocken, ihre Verspottungen herunter gurren und Schrödi kann ihnen nicht den Garaus machen, weil seine Outdoor Chilling Area ausbruchsgesichert ist. Der Mitbewohner muss es für ihn richten und wird die Tauben, diese Ratten der Lüfte, wenn sie ihre Unverschämtheiten nicht einstellen, ab sofort gnaden- und rücksichtslos …
Doch das ist eine andere Geschichte, darüber breiten wir besser den Mantel des Schweigens.
Auch die Obstmücken, die sich mit Vorliebe in Schrödingers Katzengras-Plantage einnisten, steigern seinen jungkaterlichen Testosteron-Überschuss in Unermessliche. Auch die erwischt er nicht, sie sind einfach zu klein und fliegen bei Bedarf zu hoch. Das macht ihn wahnsinnig. Er galoppiert dann durch die Wohnung, springt auf Sessellehnen, kratzt an Ledersofas, erklimmt die Schrödinger Nordwand in Sekundenbruchteilen, miaut Beschwerden in die Wohnzimmerluft, kickt die Alufolienbälle, die ihm sein Mitbewohner sonder Zahl zusammenknüllt, in Ecken, als wäre er David Beckham. Und er rauft mit dem Mitbewohner, was das Zeug hält. Bei dem hinterlässt das Spuren an den Händen und sein Bedarf an antiseptischer Seife ist deutlich gestiegen. Doch Schrödinger muss seine Energie eben einfach rauslassen, da kann man nichts machen. Teenage Mutant Ninja Schrödi braucht was zum Attackieren. So ist das halt nun einmal bei Jungkatern.
Besser wird die Sache nur, wenn im TV Fußball läuft. Schrödinger liebt dieses Spiel, hockt sich dann jeweils dichtest möglich vor den Bildschirm und kickt mit.
Kick it like Beckham!, miaut er sich dann stets leise zu und der Mitbewohner argwöhnt, dass der berühmte David Beckham früher wärend seiner Sturmläufe in Vorahnung des Kommenden auch immer bereits Kick it like Schrödinger! geflüstert haben mag.
Vor allem jene Mannschaften, die das moderne, schnelle Umschaltspiel pflegen, haben es Schrödi angetan. Er liebt dieses Ball her und Rums und Bums und Zack! Als gestern RB Leipzig, eine der Umschaltmannschaften par excellence, gegen die altvatrisch ballverliebten Kicker von Manchester City kaum einen Stich machte, trieb das Schrödingers Blutdruck schon wieder in gefährliche Höhen.
Gegenpressing, los!, miaute er in Richtung Bildschirm und pfotete nach dem Ball.
Früher attackieren!, forderte er.
Half alles nichts, ManCity gewann. Schrödinger musste seine aufgestaute Energie, die sich mit dem Ärger über die Niederlage in ihm zu einer roten Kugel Kater-Aggression rollte, los werden. Da kam es ihm recht, dass sein WhatsApp Freund K zu Besuch war und mit ihm spielen wollte. Schrödinger gab alles, was er hat, und angesichts seiner lang gewordenen, scharfen Krallen und der nunmehr schon sehr spitzen kleinen Zähne in sehr kräftigen jungen Kiefern ist das gar nicht einmal so wenig.
Ein Kampfkater!, jammerte K entgeistert und trat die Flucht an.
Der Mitbewohner rieb sich seine aufgekratzten Hände und grinste. Er, der mittlerweile am Geräusch und an der Richtung, aus der es kommt, herausdestillieren kann, wie, woran und wo in der Wohnung Schrödinger gerade sein generelles Zerstörungsprojekt von eh allem verfolgt, grinste. Nach wie vor liebt er seinen Schrödinger. Denn er weiß: Der groß gewordene kleine Kater kann immer noch sehr sanft und lieb sein. Wenn sein Mitbewohner kommt und ihm beruhigende Worte ins Ohr säuselt, dann schaltet er beispielsweise sofort vom Crazy-Kitten-Attacke- in den Katzenbaby-Modus um. Der Mitbewohner darf dann sowieso alles, ihn am Bauch kraulen (ein No-go für fast alle Katzen), ihm die Ohren kneten, den gigantischen, buschigen Schrödi-Schwanz durch eine Röhre laufen lassen, die Daumen und Finger aneinandergelegt bilden, und er darf auch Schrödingers Nase anstupsen oder seine Pfoten an Ober- und Unterseite streicheln, da bleiben die Krallen natürlich drinnen. Der kleine Kater streichelt stattdessen dann seinerseits mit der Pfote sanft über Stirn und Nase des Mitbewohners.
Denn Schrödinger weiß: Der Mitbewohner würde ihm nie, nie, nie weh tun, ihn zur Zähmung seiner zerstörerischen Talente mit Wasserpistolen anspritzen oder ihn gar durch plötzliches, lautes Zusammenklatschen der Hände erschrecken. Der Mitbewohner liebt ihn. Handlungen, die Tieren Stress bereiten könnten, hebt der sich für die Tauben auf, diese Mistviecher. Sogar den Teenange Mutant Ninja Schrödi betrachtet der Mitbewohner als unterhaltsame, liebenswerte Schrulle, die seinen kleinen Kater eben zu genau jenem ganz besonderen kleinen Kater macht, der Schrödinger ist. Und darum liebt Schrödinger auch seinen Mitbewohner. +++