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Andreas Babler und der Aufprall in der Wirklichkeit

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Es war nicht die glücklichste Art, wie die SPÖ zu ihrem neuen Vorsitzenden Andreas Babler gekommen ist. Doch zumindest war damit ein Hauptfehler behoben, der die Zeit mit Pamela Rendi-Wagner gekennzeichnet hat. Man wusste plötzlich wieder, wofür die SPÖ stehen wollte: 32-Stunden-Woche, „menschliche“ Migrationspolitik, EU-Kritik, Tempo 100 auf Autobahnen, Vermögenssteuern und interne Mitgliederwahlen statt Funktionärsentscheidungen. Inhaltlich muss man nicht zustimmen, aber zumindest war wieder ein klares Profil sichtbar. Ein Markenkern, würden es Kommunikationsprofis ausdrücken.

Nach zehn Wochen ist dieses relativ klare Profil bereits wieder zerronnen wie Wasserfarben im Gewitterregen. Der 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich könne man sich in acht, neun Jahren nähern und selbst dann müsse man das branchenbezogen sehen, so Babler selbst vor einigen Tagen nach anhaltender Kritik. Von seiner aggressiven EU-Schelte ruderte er, so schnell und so weit es noch möglich war, wieder zurück. Den Rest besorgte Andreas Schieder, Delegationsleiter der SPÖ-Fraktion im EU-Parlament, der in der ZiB2 weitgehend das Gegenteil von Babler sagte und dem man das Unwohlsein mit den Worten seines Vorsitzenden fast körperlich anmerkte.

Verpflichtendes Tempo 100 auf Autobahnen stutzte Babler wiederum selbst als „Empfehlung“ an seine Wähler zurück und sogar seine parteiintern am wenigsten umstrittene Position, der Ausschluss einer Koalition mit der FPÖ, wurde von dem sonst brav und zurückhaltenden steirischen SPÖ-Chef Lang unterlaufen, der genau eine solche Koalition nach den nächsten Steiermark-Wahlen für möglich hält. Dessen Tiroler Kollege Dornauer richtete Babler wiederum aus, sein verkündeter Ausschluss einer Koalition mit der ÖVP sei ein Fehler, worauf der große Vorsitzende abermals zurückruderte und sagte, er meine lediglich die ÖVP, „wie sie jetzt beinand“ sei. Was immer dies konkret bedeuten möge. Die „menschliche“ Migrationspolitik räumte Dornauer auch gleich vom Tisch und verwies auf gültige Parteibeschlüsse, die eine andere, deutlich restriktivere Linie definierten.

Bleibt vom kurz erkennbaren „Markenkern“ noch die basisdemokratische Wahl der Vorsitzenden statt Funktionärsentscheid. Dieser Punkt wird jedoch nicht nur vom Wiener Bürgermeister heftig bekämpft. Bei Einhaltung dieser Regel hieße vor allem der neue SPÖ-Vorsitzende heute Hans-Peter Doskozil, denn der burgenländische Landeshauptmann erreichte die relative Mehrheit bei den SPÖ-Mitgliedern und Andreas Babler kam, um es mit den Worten des Bundespräsidenten auszudrücken, „arschknapp“ – nämlich mit einem Vorsprung von 0,16 Prozent auf Rendi-Wagner, noch auf Platz 2.

Es brauchte nicht einmal Hans Peter Doskozil. Andreas Babler ist auch ohne ihn in der Wirklichkeit eines SPÖ-Vorsitzenden angekommen. Der Aufprall war schnell und hart. +++