Energiepolitik zu machen ist nicht leicht in einem Land, in dem Windräder in Abstimmungen von mehr als 70 Prozent der lokalen Bevölkerung (wie im steirischen Gaal) abgelehnt werden. Ein Land, in dem Gasbohrungen ebenso heftigen Widerstand der Bürger erfahren wie Wasserspeicherkraftwerke. Ein Land, in dem Atomkraft ohnehin Teufelszeug ist. Außer man importiert den Atomstrom, dann kümmert er niemanden.
Pumpspeicherkraftwerke, wie eines derzeit im Tiroler Kaunertal gerade bekämpft wird und ein anderes auf der Koralm gleich aufgegeben wurde, und Atomkraftwerke sind aber leider die nach Stand der Technik einzig verbleibenden Möglichkeiten, wenn man Kohle- und Gaskraftwerke abschalten will, aber trotzdem 24 Stunden pro Tag Strom in der Steckdose haben möchte.
Die heimische Netzwerkstabilität ist schon derzeit teuer erkauft. Droht an einer bestimmten Stelle im Netz ein netzgefährdender Engpass, werden Kraftwerke diesseits des Engpasses angewiesen, ihre Einspeisung zu drosseln, während Anlagen jenseits des Engpasses ihre Einspeiseleistung erhöhen müssen. An 237 Tagen mussten im vergangenen Jahr dafür Gaskraftwerke kurzfristig und teuer hochgefahren werden, sagte der technische Vorstand der Austrian Power Grid, Gerhard Christiner zu orf.at.
Um die Energiewende zu schaffen, schätzt Christiner, dass es in Österreich 45 zusätzliche Umspannwerke und eine Verdopplung der bestehenden 380-kV-Leitungslänge braucht. Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass etwa die Salzburger 380-kV-Leitung mehr als 20 Jahre zwischen Beschluss und Baubeginn erforderte, sollte man sich langsam mit den im Handel erhältlichen Strom-Selbstversorgungsaggregaten vertraut machen. „Die EU hat bereits im vergangenen Herbst eine Beschleunigung des Ausbaus gefordert. In Deutschland wurde diese Verordnung recht progressiv umgesetzt, in Österreich fehlt das noch“, so Christiner. Den gelernten Österreicher wundert dies kaum.
Dabei ist mit der Errichtung der Netz-Infrastruktur noch nicht die Frage gelöst, woher – außer aus dem Ausland – eigentlich der Strom kommen soll. Laut Daten der Regulierungsbehörde E-Control hat Österreich im Vorjahr um 15 Prozent mehr Strom importiert als 2021. Im Vergleich zu 2019 ist der Nettostromimport 2022 sogar um 178 Prozent höher ausgefallen. Tendenz weiter steigend. Aber vielleicht sorgen die Nachbarstaaten ja künftig auch für unsere Netzstabilität. Wir kritisieren dafür im Gegenzug weiter ihre Atomkraftwerke. +++