Schrödinger hatte einen geschäftigen Tag. Der inneren Unruhe seines WG-Mitbewohners folgend wurde er vergangenen Mittwoch schon um fünf Uhr morgens aus dem Tiefschlaf gerissen und quasi gezwungen, sich früher als sonst über sein Frühstück herzumachen. Schrödinger nahm diese frühe Zumutung gelassen, denn Fressen geht eh immer. Er tat, was zu tun war, er frühstückte. Ausgiebig.
Danach bezog er an seinem Terrassenplatz Position und überwachte die lautstarken Arbeiten der Dachdecker am Haus unten gegenüber, die sich wenig um Morgenruhe scherten, sondern einfach drauflos hämmerten, was das Zeug hielt. Schrödinger hätte einiges an der Organisation der Arbeiten auszusetzen gehabt, doch er schwieg. Es war nicht seine Aufgabe, den Workflow der Mondseer Firma Reindl zu kritisieren oder gar, Gott bewahre, zu verbessern. Immerhin vergaß er, das inzwischen seinen Fähigkeiten nicht mehr entsprechend gesicherte Balkongeländer hochzuklettern und sich in den freien Mondseer Luftraum zu verabschieden.
Dann begann die Renoviererei der Wohnung unterhalb, es wurde gebohrt, gehämmert, gewerkt und gekracht. Schrödinger war das egal, während sein Mitbewohner in den Segelclub gegenüber am anderen Seeufer flüchtete, um dort zu arbeiten. Schrödinger nahm er mit. Von Ruhe allerdings im Segelclub: keine Spur. Denn dort fand gerade der Kinderkurs statt – und zwar drinnen, weil es in Strömen goss.
Eine Katze, eine Katze!, schrien die elf kleinen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wie aus einem Mund, als Schrödinger in den Raum spazierte, wo sie gerade mit schwerer Segeltheorie-Kost versorgt wurden.
In der Sekunde ging es hoch her: Eine geschwungene Schnur mit Knoten am Ende hier, ein Papierknäuel dort, haufenweise streichelnde Hände, dazu minutenlange Leckerli–Flächenbombardements. Schrödinger hatte den gesamten Vormittag lang alle Pfoten voll zu tun. Weil die Kinder quietschten, riefen, klatschten und lachten, war die Lärmentwicklung nicht geringer als zu Hause beim Renovieren. Doch Schrödinger ist ein Kater mit Nerven aus Stahl. Er blieb ruhig, konzentrierte sich auf seine Aufgabe als Segel-Hilfstrainer und Kids-Entertainer. Headcoach K, mit Frau B selbst Wohnungsgenosse der beiden kleinen Kätzchen Chilli und Willy, war für die Hilfe dankbar. Schrödinger nahm nach getaner Arbeit mit Würde das Honorar von Segelclub-Kombüsenbetreiberin S entgegen, die ihn ein Monat zuvor aus der Wildnis gerettet und an seinen nunmehrigen Mitbewohner übergeben hatte: Schinken.
Dann ging alles erst richtig los: Sein Mitbewohner verfrachtete Schrödinger ins Auto – die Fahrt von Mondsee nach Graz stand an, Schrödinger sollte seine künftige Wohnung fürs kommende Winterhalbjahr besichtigen. Eine fast dreistündige Autofahrt also, und das im winzigen Soulredsummerfeelingauto des Mitbewohners, das einem Quantenkater wenig Bewegungsmöglichkeiten bietet.
Doch wie gesagt, Schrödinger ist made of steel.
Kurz nur sah er sich die vorbei fahrenden Autos an und nahm dann auf der Schrödingerliege – in anderen Autos: Mittelarmlehne – Platz, wo er bis Graz praktisch durchschlief. Er wusste, er hatte an diesem Tag noch einen Job zu erledigen, für den er ausgeruht sein musste. Oder zumindest einigermaßen frisch, trotz der Ereignisse und Beschwerlichkeiten des bisherigen Tages.
Die Winterwohnung nämlich. So etwas will gründlich besichtigt und getestet werden, bevor es ans Verwüsten geht – selbstverständlich nicht ohne dabei den Eindruck zu erwecken, man könne und wolle kein Wässerchen trüben. Schrödinger, der zeitweise ein alles andere als katzenhaftes Verhalten an den Tag legt, war die neue Umgebung völlig egal. Anpassungszeit: null Sekunden. Er inspizierte umgehend, notierte sich geistig die Schwachstellen und ruhte sich dann kurz aus. Schließlich legte er los. Der Mitbewohner ist derzeit noch mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. Schrödinger hingegen: ruht sich wieder aus. Der Kater aus Stahl evaluiert seine bisherige Tätigkeit als Abrissbirne. Und er plant Phase 2 des Grazer Winterwohnungsabrissprojektes.
Der anstrengende Tag, an dem andere Katzen gescheitert wären, ging jedenfalls spurlos an Schrödinger vorbei. Deshalb ist er diesmal der tierische Held der Woche der such*stuff Redaktion. +++