Wie groß war die Aufregung: In buchstäblich letzter Minute wurden drei junge Österreicher mit Migrationshintergrund verhaftet, bevor sie, so die Schlagzeilen, einen Terror-Anschlag auf die Wiener Pride-Parade verüben konnten. Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst, die Nachfolgerin des aufgelösten BVT, schlug sich in einer Pressekonferenz auf die breite Brust.
Die drei jungen Männer verdienen jetzt sicher keine Sympathiebekundungen, aber das hat in einem Rechtsstaat auch keine Bedeutung. Mittlerweile sind sie jedenfalls nicht nur längst wieder aus der U-Haft entlassen worden, es mehren sich auch sonst die Zweifel am behördlichen Vorgehen. Die kameratauglich präsentierten automatischen Waffen waren „Soft-Guns“ und von konkreten Anschlagplänen war laut Medienberichten im Untersuchungshaftbeschluss nichts mehr zu lesen. Verräterische Chats waren angeblich auch nicht im Akt zu finden. Die Verhaftung erfolgte offensichtlich auf Hinweise eines befreundeten Nachrichtendienstes, der islamistische Chatgruppen beobachtete und eine Warnung weitergab.
Dies nützte die DSN gleich, um die Diskussion um den „Staats-Trojaner“ neu zu entfachen. Die in Österreich als Lauschangriff bekannte „optische und akustische Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel“ sei nicht mehr ausreichend, argumentierten DSN-Chef Haijawi-Pirchner und Innenminister Karner. Es brauche den Staatstrojaner, auch wenn ihn 2019 der Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig eingestuft hat. Ein künftiger Bundeskanzler Kickl freut sich wohl, wenn man ihm dieses Überwachungsinstrument unliebsamer Mitbürger bereits vorab frei Haus liefern würde.
Ein wenig erinnert das Ganze an die „Operation Luxor“, bei der 2020 vor laufenden Fernsehkameras angeblich die islamistischen Umtriebe der Muslim-Bruderschaft zerschlagen wurden. 960 Polizisten rückten in vier Bundesländern aus – auf Geheiß des damaligen Innenministers Karl Nehammer, des unerschrockenen Kämpfers gegen den Islamismus. Türen wurden eingetreten, Wohnungen verwüstet und die Medien hatten endlich ein anderes Thema als das Versagen des BVT beim wirklichen Terroranschlag in Wien. Juristisch verwertbar blieb allerdings in „Luxor“ kaum etwas: Ein Großteil der Hausdurchsuchungen wurde von Gerichten mittlerweile als rechtswidrig befunden. Beschlagnahmtes Vermögen musste seinen Besitzern zurückgegeben werden und die Hauptbeschuldigten sind heute keine mehr.
Bei dieser Gelegenheit fragt man sich auch, wo die Verdächtigen abgeblieben sind, als im März von der DSN vor einer konkreten Terrorgefahr gegen Wiener Kirchen gewarnt wurde, oder warum jener mutmaßliche Spitzenspion, der angeblich jahrelang für die Russen Staatsgeheimnisse ausspionierte, laut der „Presse“ noch immer munter in Österreich ein- und ausreist.
Offenbar sind die Exekutivbehörden bei Terrorverdacht meist sehr flott darin, Türen einzutreten und vor allem Pressekonferenzen zu geben, ohne juristisch viel in der Hand zu haben. Dies sieht auch die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte so: „Es ist ein ernst zu nehmendes Dilemma, auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft: Der Staatsschutz berichtet von Hinweisen ausländischer Dienste auf potenzielle terroristische Straftaten, die konkreten Beweise werden vom Ausland jedoch nicht zur Verwendung freigegeben. Dies birgt die Gefahr, entweder Anschlagspläne nicht aufklären zu können, oder auf dünner Beweislage handeln zu müssen, mit dem Risiko, dass sich der Verdacht nicht bestätigt und die getroffenen Maßnahmen nachträglich als überzogen beurteilt werden“.
Dieses „Ermittlungs-Dilemma“ kann aber nur der Gesetzgeber auflösen. Ansonsten könnte doch glatt der Verdacht entstehen, Politik und Ermittlungsbehörden würden unfundierte Verdachtsmomente benützen, um damit politisches Kleingeld zu machen. +++