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Was ist schon normal

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Endlich hat die ÖVP ein Thema gefunden, das sich innerhalb des intellektuellen Horizontes der meisten ihrer Protagonisten befindet. Mit der Frage “Was ist normal?” kann sich jeder lokale Blitzgneißer gut auseinandersetzen, auch der Handzimbelschläger der Blasmusikkapelle im hintersten Niederösterreich – ohne Gefahr zu laufen in Sphären zu geraten, die den durchschnittlichen schwarzen Parteigänger im Eventualfall überfordern könnten. Sogar der Bundeskanzler fühlt sich thematisch offenbar plötzlich so richtig zu Hause. Das ist gut für das gesamte Land, wenn der Regierungschef mit einem Mal doch noch ein Thema gefunden hat, dem er sich engagiert widmen kann, ohne großen Schaden anzurichten.

Es gibt da auch ziemlich viele Teilbereiche, die längst zur Klärung anstehen würden und die Bundeskanzler Karl Nehammer – hoffentlich unter tatkräftiger Mithilfe seiner niederösterreichischen und sonstigen Parteifreunde – einmal gründlich durchleuchten könnte. Hier ein paar Vorschläge:

Ist es zum Beispiel normal, dass im Burgenland die Landesverwaltung ein Verbotssschreiben an die Gemeinden schickt, demzufolge an Brückengeländern keine Blumenkästen mehr angebracht werden dürfen? Weil sich nämlich in einem Örtchen irgendwo da draußen in den Weiten unseres östlichsten Bundeslandes ein Bürger im vergangenen Winter an einem solchen Blumenkasten gekratzt hat. Ja, richtig gelesen. Gekratzt. Ein Bürger. Nicht viele, einer. Im Winter. Und ist es normal, dass Staatsbürger – mutmaßlich ÖVP-Wähler – grundsätzlich Gefahr laufen, nicht zu wissen, dass man sich an einem eckigen, harten Gegenstand theoretisch kratzen kann und deshalb halt schlimmstenfalls ein bissl aufpassen sollte?

Zusatzfrage: Ist es normal, dass die Vorarlberger dieses gravierende Problem der gefährlichen Blumenkästen an Brückengeländern nicht haben? Warum nicht? Wie ist das mit den Kärntnern? Den Steirern? Und so weiter. Liegt es an der Konstruktion der Brückengeländer, der Blumenkästen? Gar an den verwendeten Blumen? Sind vielleicht die Burgenländer, die ja immer wieder gerne als die Ostfriesen Österreichs bezeichnet werden, ein wenig … (sorry, liebe burgenländische Freunde und Innen).

Oder ist es normal, dass die Berliner Polizei in ihren Reihen tatsächlich über einen “Experten” verfügt, der auf Videoaufnahmen Löwen von Wildschweinen unterscheiden kann, die Wiener Polizei aber nicht? Und ist es normal, dass – immerhin, es handelt sich ja um die Polizei – dieser Experte dann, wie sich nun herausgestellt hat, einen Löwen offensichtlich eben doch nicht von einem Wildschwein unterscheiden kann? Wäre es nicht normal, da an den Innenminister der eigenen Partei zu appellieren, in Österreich endlich einen Ausbildungs-Lehrgang zu starten, damit so etwas bei uns nicht vorkommen kann? Vielleicht könnte man mit etwas Einfachem beginnen und in der ersten Unterrichtseinheit einmal drei Bilder herzeigen: Das hier ist ein Pferd (Pferd). Das hier ist sein Reiter und der nächste Bundeskanzler, wenn wir so weitermachen (Kickl). Und das hier ist der aktuelle Bundeskanzler (Nehammer). Jetzt ihr, Polizeischüler: Wer ist was? Man müsste bei so einem Kurs halt nur, selbstverständlich, grundsätzlich darauf achten, die durchschnittliche intellektuelle Begabung eines typischen österreichischen Polizeischülers nicht zu überfordern.

Ist es, auch nur zum Beispiel, normal, dass es demnächst in Niederösterreich tatsächlich einen Erlass gibt, der die Verwendung des Binnen-Sternchens beim Gendern durch Landesbedienstete unter Strafe stellt und womöglich als Dienstvergehen samt Geldbuße ahndet? Und ist es darüber hinaus normal, das die Juristen den Text so patschet verfasst zu haben scheinen, dass davon auch normale Rechtschreibfehler betroffen sind – also zum Beispiel wenn man “oe” statt “ö” oder “ß” statt “ss” schreibt? Wird es normal sein, dass davon, Gott bewahre, auch niederösterreichische Polizeischulabsolventen betroffen sein könnten und bei Rechtschreibfehlern in Niederschriften, etwa von Anzeigen, Geldstrafen verhängt werden? Das könnte sich allerdings zur guten Geldquelle für die Abdeckung des Budgetdefizits entwickeln.

Und zu guter Letzt die Frage aller Fragen: Ist es wirklich normal, dass Österreich eine Regierungspartei und mit ihrem Parteichef einen Bundeskanzler hat, dem nichts Besseres einfällt als sich öffentlich mit der Frage auseinanderzusetzen, was normal ist und was nicht, und das tagelang? Und das Bundesland Niederösterreich eine Landeshauptfrau, die das auch tut?

Darauf gibt es sogar eine Antwort: Leider ja. Man müsste das alles wirklich einmal fundiert wissenschaftlich untersuchen. Ist es normal, dass das bisher noch nicht geschehen ist – wo die ÖVP doch mit dem unglaublich kompetenten Wissenschaftsminister sogar über den geeigneten Mann dafür verfügen würde? +++