Die Ärzteknappheit und in der Folge der drohende Kollaps unseres Gesundheitssystems bringt Politiker genauso wie Interessenvertreter dazu, in immer geschraubteren Pirouetten nach Lösungen zu suchen. Hundert Millionen Euro will die Regierung gar in die Hand nehmen, um damit – ja, was eigentlich genau zu tun? Die Ärztekammer findet das weniger gut, das Gesundheits- und das Bildungsministerium streiten wie üblich um Kompetenzen und Inhalte. Auf die naheliegende Idee, noch mehr Geld einfach zu verwenden, um deutlich mehr Studienplätze zu schaffen und die Einrichtungen der Med-Unis zu verbessern, ist bisher wohl niemand gekommen. Das Problem wäre damit in rund zehn Jahren – also genau dann, wenn der Ärztemangel tatsächlich zum Kollaps führen könnte – gelöst. Doch dazu müssten sich mehrere Ministerien und ihre inkompetenten Ressortchefs sowie -chefinnen zusammensetzen, konstruktiv kooperieren. Undenkbar hierzulande.
Ein schönes Beispiel für die politische und vor allem ministerielle Dummheit – man kann es nicht anders nennen – ist der Fall des Richard A. (Name von der Redaktion geändert):
Er stammt aus einer österreichischen Kleinstadt, aus einer Ärztefamilie, und steht kurz davor, sein Medizinstudium zu beenden, das er zuerst in Frankreich und dann in Großbritannien absolviert hat. Danach möchte er in Österreich als Arzt arbeiten. Ein Glücksfall, könnte man meinen – seine Fachausbildung hat den Staat nichts gekostet, ein fertiger Arzt kommt nach Österreich zurück. Nur seinen Turnus möchte R hier absolvieren, um sich ins heimische Spitalswesen einarbeiten zu können. Dann steht er Österreich zur Verfügung. Wie gesagt: ein Glücksfall.
Doch der österreichische Staat sieht das anders.
Zuerst einmal, sagt die Ministerialbürokratie, soll R gefälligst die Aufnahmeprüfung fürs Medizinstudium absolvieren, bevor er in unserem Land seinen Turnus machen kann. Und zwingt den armen R, einen praktisch fertigen Mediziner, sich mit 14.000 anderen angehenden Medizin-Studenten der Zukunft einen Tag lang hinzusetzen, um irgendwelche sinnlose Basics abzufragen, die seine Eignung zum Arztberuf testen sollen und die er längst abgehakt hat. Denn wie gesagt: Ihm fehlt der Turnus, davon abgesehen ist er praktisch fertiger Arzt. R hat diese sinnlose Tortur Anfang Juli über sich ergehen lassen. Er hat – ministeriell verordnet – damit einem neuen Medizinstudenten, der womöglich in zehn Jahren zusätzlich mithelfen hätte können, den Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern, und er hat die Prüfung absolviert. Damit der hilflose Minister Polaschek zufrieden ist. Der Ärztekammer wäre es nicht im Traum eingefallen, gegen diesen Wahnsinn zu protestieren – geschweige denn irgendwo im Sinne der Vernunft zu intervenieren.
Ob er nach dem Turnus nun wirklich in Österreich arbeiten soll, diesem sinnlos bürokratischen Land mit seiner Vielzahl an Stolperfallen und Hindernissen, die jeder Vernunft widersprechen? Nach der soeben gemachten Erfahrung wird R es sich womöglich noch einmal überlegen. Man könnte es ihm nicht verübeln. +++