Glauben Sie es oder glauben Sie es nicht: Auf meine alten Tage, im zarten Alter von 58, habe ich soeben noch einmal eine WG gegründet, also eine Wohngemeinschaft. Wirklich.
Selbstverständlich spielt da auch ein wenig die Romantisierung der Studentenzeit in Wien eine Rolle, die vor knapp 40 jähren stattgefunden hat. Damals war WG die übliche und vor allem die einzig leistbare Wohnform. Ich wohnte im Laufe der Studentenjahre in verschiedenen Konstellationen an verschiedenen Adressen. Am deutlichsten in Erinnerung geblieben sind mir die zwei Jahre im 3. Bezirk, eine Vierzimmer-WG, in der ein ziemliches Kommen und Gehen herrschte. Aber so war immer was los. Da waren zum Beispiel die beiden Mitbewohnerinnen E und B (E eher eine Funzn und B das, was man wohl eine depperte Nuss nennt.) Es gab den M, einen anderen M, noch eine M, und was weiß ich wen noch. Dann zog irgendwann K ein, Freund meiner Jugend aus Graz, nach wie vor einer meiner besten Freunde.
Da war es dann richtig lustig, K zog sich zum Beispiel für einige Monate mehr oder weniger komplett in sein Zimmer zurück, um an einem Musikhörspiel zu schreiben, das er dann auch tatsächlich auf LP veröffentlichte (es war eine andere Zeit, daher Schallplatte). Ich besitze immer noch ein Exemplar. Im Winter standen wir einmal unten in der Göllnergasse und sahen, dass F, der unter uns wohnte, ein Fenster zum Lüften geöffnet hatte. Was sollte man da anderes tun als Schneebälle in die Wohnung zu werfen, es war einem ja immer ein bissl fad. F, ein Burgenländer, was not amused. Er erschien im Fenster, grüßte uns mit den Worten “Ihr Trouttl do untn!” und schloß das Fenster, was keine gute Idee war, weil wir natürlich die Bombardierung fortzusetzen gedachten. Das Ende der Glasscheibe kam rasch, unabwendbar und brutal. Die Reparatur beim Glaser hat mich einen Teil meines studentischen Monatsbudgets gekostet. Zu F, das aber nur nebenbei: Was er arbeitete, weiß ich nicht mehr. Er hatte aber den Traum, Stuntman zu werden, nachdem er irgendwo gelesen hatte, dass die in der Lage sind, aus drei Kilometer Höhe ohne Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen und punktgenau sowie verletzungsbefreit in einem Heuhaufen zu landen. Heute noch bin ich der Ansicht, dass F da womöglich irgendwas nicht ganz richtig verstanden hatte. Jedenfalls weiß ich nicht, was aus ihm geworden ist, ich hoffe jedoch: alles, nur nicht Stuntman.
Wie auch immer, Sie merken schon, damals herrschte Abwechslung. Heute ist mir als allein Wohnendem im Vergleich dazu richtig langweilig. Eine Frau einziehen zu lassen, liegt mir nicht so, denn wenn es nicht die Eine ist – die, die man richtig lieben kann: besser nicht. Weil Einengung und so weiter. Und diese eine noch einmal zu finden (vor langer Zeit ist mir das bereits gelungen, aber wir haben’s uns durch die Finger rieseln lassen), ist keine leichte Übung, sage ich Ihnen. Also blieb nur: WG.
Eingezogen ist nun Schrödinger, und eigentlich wollen Sie ja über den lesen – nach dieser elendslangen, völlig unnötigen Einleitung. (Doch Sie wissen ja, ich bin ein Schwafler.)
Also Schrödinger. Ein Physiker. Ich meine, nicht so richtig ein Physiker genau genommen, aber er hat etwas mit Physik zu tun. Mit Quantenmechanik: Erwin Schrödinger nämlich, unser berühmter Nobelpreisträger, einer der Begründer der Quantenphysik, der die frühere 1000-Schilling-Note zierte. Sein Gedankenexperiment “Schrödingers Katze” – sagt Ihnen das etwas? (Klicken Sie einfach hier, wenn Sie mehr wissen wollen.) Jedenfalls, Sie ahnen es: Schrödinger ist ein kleiner Kater. Er ist uns im Mondseer Segelclub zugelaufen, klatschnass, äußerlich etwas derangiert und innerlich ein bissl verschreckt nach vermutlich zwei oder drei im Freien zugebrachten Nächten, aber freundlich und grundsätzlich guter Dinge. S, die gute Fee des Clubs, hat ihn gleich reingelassen und eine Nachricht in die WhatsApp-Gruppe geschickt. In sichtlicher Aufregung tippte sie ins Handy:
Babykatze im Club! Was tun???
Selbstverständlich wußte ich Rat und whatsappte umgehend zurück:
Behalten! Ich nehm sie, wenn ich wieder da bin.
Jetzt wohnt Schrödinger eben seit einer Woche bei mir. Er ist ein unglaublich lieber kleiner Kater, geschätzte drei Monate alt, rot-weiß, etwas längeres Fell, vermutlich durchzieht der eine oder andere Langhaar-Vorfahre Schrödingers Genom. Schrödingers ist exemplarisch zutraulich, super kuschelig, verschmust ohne Ende, hat null Angst vor Menschen und ist trotz aller Kuscheligkeit ein echter Abenteurer. Und manchmal, meistens mitten in der Nacht, ist er wild genug, dass ich nicht schlafen kann, weil es in der Wohnung permanent irgendwo pumpert, scheppert und kracht. Aber das passt schon, ich hab den kleinen Kater bereits nach einer Woche so richtig gern.
Bis jetzt hat sich niemand gemeldet, dem er abgehen würde. Es wird hoffentlich so bleiben und Schrödninger bleibt bei mir. Er hat in dieser ersten Woche unter anderem das Bett zur WC-Zone erklärt (nur ein einziges Mal, sonst benutzt er brav das Katzenklo), er hat meine kleine Mondsee-Bücherbibliothek nach einer ausführlichen Inspektion (Sie sehen das im Bild ganz oben) für mangelhaft ausgestattet erklärt. Er hat praktisch die gesamte Wohnung mehrfach einer grundsätzlichen und gründlichen Verwüstung unterzogen. Um das jeweils ausgeruht in Angriff nehmen zu können, hat er dazwischen ausgiebigst geschlafen, während ich mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt war. Er hat außerdem unter meiner tatkräftigen Mithilfe seine Kuschelfähigkeiten permanent erweitert, wobei man sagen muss, er ist diesbezüglich ein echtes Naturtalent. Vermutlich der wildeste Natural Born Kuschler unter dem Katzenhimmel.
Schrödinger hat außerdem sofort erkannt, wie wichtig es ist, seine Aufswasserschaufähigkeiten schon in jüngsten Jahren zu entwickeln, wenn man im Sommer an einem See wohnt. Besonders mich, einen der weltbesten Aufsmeerschauer, freut das natürlich sehr. Davon, dass er im Herbst mit mir nach Graz umziehen wird, weiß Schrödinger noch nichts. Ich werde ihm das beizeiten schonend beibringen.
Zweifellos wird es bald hier auf such*stuff ein eigenes Blog geben, das schlicht “Schrödinger” heißen wird, soviel kann ich jetzt schon versprechen. Stoff für Storys liefert der kleine Kater mehr als genug.
Vorderhand jedoch nur noch zur Frage: Warum dieser Name, warum “Schrödinger”?
Weil es Schrödingers Katze schon seit mehr als hundert Jahren gibt und mir die Quantenphysik als im Hintergrund grundsätzlich dramatisch wichtig für unser aller Leben erscheint. Sehr schrullig, das alles da unten im Allerkleinsten, das können Sie mir glauben. Sie können ein wenig davon hier nachlesen. Zur Debatte wäre auch “Scotty” gestanden. Doch es ist eben so: Schrödingers Katze. Der kleine Kater hieß von Anfang an beides gleichzeitig, Scotty und Schrödinger. Schließlich habe ich durch Beobachtung (ich sah ihn an und wußte: das ist ein Schrödinger) entschieden: Er wird fürderhin den Namen des Physiknobelpreisträgers spazierenführen. Um ehrlich zu sein – ich habe auch ein Segelclub-Mitglied befragt, das gerade vor Ort war, als ich Schrödi abholte. Ich sagte:
Was meinst du, Schrödinger oder Scotty?
H sagte:
Völlig klar, das ist ein Schrödinger.
Und seine Frau V nickte dazu. Damit war die Sache gegessen. V war vom kleinen Kater übrigens so begeistert, dass sie mich bereits am nächsten Tag mit einigen Basis-Katzenutensilien aus ihrem offensichtlich breit angelegten Fundus ausstattete. Vielen Dank, liebe V, das war wirklich sehr nett! Schrödinger benutzt so manches schon fleißig.
Ich werde Ihnen weiter berichten, was Schrödinger beim Heranwachsen so treibt. +++