Fachkräftemangel, kostspielige Finanzierungen, explodierende Energiepreise, Rohstoff-Verteuerung: Vor allem KMUs macht das zu schaffen. Trotzdem performen viele derzeit noch gut.
Es geht rauf und runter, die Krise ist ein Hund. Die heimischen Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) haben nach drei Jahren Corona derzeit mit dem Fachkräftemangel, den steigenden Rohstoffpreisen und vor allem den ausufernden Energiekosten schwer zu kämpfen. „500 Prozent Strompreiserhöhung sind schon eine gröbere Herausforderung“, sagt etwa Thilo Üblagger (Bild oben), Chef des Radstädter Kunststofftechnik-Experten k-tec, einem echten Vorzeigeunternehmen. „Wir müssen uns eingestehen, dass wir es mit multiplen Krisen zu tun haben“, sagt der Waldviertler Jürgen Schöls, CEO des internationalen Landmaschinenherstellers APV.
Es geht rund. Es geht, vereinfacht gesagt, bergauf und bergab. Anders formuliert: Es geht rund. Eine Berg- und Talfahrt an Problemen, mühsam erarbeiteten Lösungen, neuen Problemen und wieder neuen Lösungen, und das permanent, treiben die Klein- und Mittelständischen Unternehmen Österreichs seit Jahren in einer Hochschaubahn der Befindlichkeiten vor sich her. Einige kommen mit den Herausforderungen besser zurecht, andere weniger gut. Die meisten schaffen den Spagat zwischen Kosten- und Absatzdruck aber gar nicht schlecht. Und was sagen die Wirtschaftsforscher?
„Eine schwierige Konstellation“ ortet der Chef des KMU-Forschungsinstitutes von Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und anderen Institutionen, Thomas Oberholzner. „Zurückhaltung“ laute das Stichwort. Das Zusammenspiel aus Kaufzurückhaltung, Investitionszurückhaltung und in der Folge eines bereits spürbaren Nachfragerückganges mache KMUs zu schaffen. Die zentrale Frage, die sich das Management beinahe überall stelle: Wie bringe ich die gestiegenen Kosten im Preis unter? In erster Linie belasten die Kostensteigerungen bei Energie und Rohstoffen die ohnehin dünne Kapitaldecke vieler Unternehmen. „Auch erfolgreiche KMUs sind in Sachen Liquidität oft nicht besonders gut aufgestellt“ weiß Oberholzner.
Abwärtstendenz. Nominal stieg der Umsatz der KMUs im Jahr 2022 zwar um 5 Prozent gegenüber dem Jahr davor an, wegen der hohen Inflation bedeutete das jedoch einen realen Umsatzrückgang um 3,5 Prozent. Jeder fünfte Betrieb meldete im Vorjahr bereits einen Umsatzrückgang, durchschnittlich um 16,7 Prozent. Und die Aussichten sind nicht gut: Im ersten Quartal 2023 überwogen die positiven Erwartungen der in einer Studie der KMU-Forschung nach ihren Aussichten befragten Unternehmen die negativen Erwartungen noch um einen Prozentpunkt. Für das zweite Quartal sind bereits um sechs Prozentpunkte mehr Unternehmenschefs negativ als positiv eingestellt. Knapp 241.000 Unternehmen zählen derzeit in Österreichs zum KMU-Bereich, sie beschäftigen gut 770.000 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Jahresumsatz von rund 110 Milliarden Euro.
Derzeit haben die meisten Unternehmenschefs die Probleme noch einigermaßen im Griff, doch mit der Zeit könnte es zu Folgen kommen. Der KSV von 1870 ortet in seiner jüngsten Statistik wieder ansteigende Konkurszahlen. Erstmals seit der Zeit vor Corona haben die Firmenpleiten wieder auf das Niveau von vor dem Jahr 2019 zugelegt. 1279 Insolvenzen gab es heuer im ersten Quartal, um 22 Prozent mehr als noch 2022. Viereinhalbtausend Beschäftigte waren betroffen. Auch wenn derzeit nur ein kleiner Teil der Pleiten KMUs betrifft, wer weiß ob das so bleibt. „Direkt vor der Türe stehen Insolvenzen in großer Zahl im Augenblick noch nicht, aber das kann sich bald ändern“, fürchtet KMU-Forscher Oberholzner.
Baustellen. Größte Baustelle sind die zum Teil dramatisch gestiegenen Energiekosten, während der Facharbeitermangel die meisten KMU-Manager eher kalt lässt. „Den haben wir doch schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten“, ist die gängige Reaktion auf die Frage nach der Rekrutierung neuer Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen. Man hat sich damit arrangiert, bildet selbst aus wie zum Beispiel das Badener Steinpflege-Unternehmen Finalit in seiner Akademie. Oder man siedelt Standorte in Gegenden an, wo Fachkräfte weniger Mangelware sind als am Stammsitz – wie Maschinenbauer APV aus Geras mit seinem Verwaltungsbüro in St. Pölten. k-tec behilft sich mit seinem guten Ruf in der Region und rekrutiert aus dem Nachwuchs in der westlichen Obersteiermark und im Salzburger Lungau, damit kommt man zufriedenstellend über die Runden.
Dennoch formulieren viele KMU-Manager hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand Wünsche an die Politik. Längst überfällig ist für viele eine Senkung der Lohnnebenkosten, eine uralte Forderung. Werner Unterweger vom Fünfsternehotel Steirerhof im Grenzland der Steiermark zum Burgenland würde seinen Mitarbeitern etwa gerne „deutlich mehr Lohn zahlen“, schafft das aber nicht, weil die Lohnnebenkosten das unbezahlbar machen. „Zehn Prozent Lohnerhöhung reichen bei den steigenden Lebenshaltungskosten nicht“, sagt er, „die Leute brauchen mehr und ich würde es ihnen gerne geben, aber das geht schlicht nicht.“ Es werde Zeit, dass die Politik in diesem Zusammenhang „endlich in die Gänge“ komme.
Jeder behilft sich auf seine Weise. Thomas Wulz zum Beispiel, Mitgründer des HighTech-Antriebstechnik-Unternehmens Enpulsion aus Wiener Neustadt, setzt zusehends auf Home und Mobile Office als Goodie für Mitarbeiter. 15 neue Leute konnte er so gerade an Bord holen, alle arbeiten virtuell. Weil es in der Elektronik-Branche üblicherweise wenig Fluktuation gibt, kann sich Enpulsion so durchschlagen. „Eigentlich sind wir bisher ganz gut durch alles gekommen“, freut sich Wulz. 100 Prozent Exportquote und ausschließlich langfristige, internationale Aufträge sind eine taugliche Firewall gegen alle möglichen Krisenherde.
Was noch kommt, weiß aber derzeit ohnehin niemand. Von zu vielen Faktoren hängt die Entwicklung derzeit ab, die meisten davon nicht wirklich kontrollierbar. Vielen bleibt im Moment hauptsächlich die Hoffnung. „Es werden schon wieder bessere Zeiten kommen“, sagt Werner Unterweger vom Steirerhof in Bad Waltersdorf. +++
Den Text finden Sie ergänzt um diverse Unternehmensporträts auch in der ausgäbe vom 26. Mai des Wirtschaftsmagazins “trend”.