Sag einmal, Frühling: Spinnst du? Sich einfach vertschüssen, aus der Verantwortung stehlen, sich von dannen schleichen, sich auf Französisch verabschieden – das geht einfach nicht. Man hat als schöne Jahreszeit, die auf das Dunkle folgt, schließlich eine Mission. Man hat eine Verpflichtung. Die Menschen wollen nach dem Winter Luft, Liebe, Leichtigkeit, Lust und Tändelei. Und da haust du ab und versteckst dich weiß Gott wo, ohne geliefert zu haben?
Natürlich, jetzt gerade zitterst du dich wieder an uns heran, ein bissl Sonne hier und da, ein wenig zaghafte Wärme, als hättest du ein schlechtes Gewissen.
Genau das musst du auch haben. Wir – und damit meine ich: wir alle hier – sind schwer enttäuscht von dir. Das war nicht nur zu wenig, das war gar nichts. Wochenlange Wasserfälle, flächendeckend und gnadenlos, schwarze Starkregenwolken knapp über Grund – was glaubst du denn eigentlich, wer du bist? Der November? Das war unmöglich. Wir werden uns das merken. Vergiss die Huldigungen und Preisungen in Liedern und Gedichten für die nächsten paar Jahre. Das kannst du abhaken. Wir sind schwer verstimmt. Beleidigt. Verstört. Verletzt. Du hast uns psychische Schäden zugefügt, ganz offensichtlich einfach nur so aus Jux und Tollerei. Das wird Folgen haben. Für uns leider sowieso, aber glaub mir: auch für dich. Wir werden dich jetzt nämlich einmal ein paar Jahre lang nicht mehr mögen. Wir haben frühlingsmäßig ein Elefantengedächtnis. So übel, wie du uns heuer mitgespielt hast, das werden wir endlos nicht vergessen.
Und glaub bloß nicht, dass du jetzt nachträglich noch etwas gutmachen kannst, indem du nun übertreibst. Der Sommer ist Sache des Sommers. Der geht dich nichts an. Wehe, du schickst uns jetzt als Pendelbewegung eine überdimensionale Hitzewelle. Dann ist es aus mit uns und dir. Dann jagen wir dich aus dem Land. Dann kannst du schauen, ob sie in Sibirien was mit dir anfangen können. Oder dich in deine Schutzzone auf Madeira zurückziehen. Schlag also jetzt ja nicht über die Stränge. Deine einzige Chance: gemäßigte Wiedergutmachung. Wir wollen laue, aber nicht heiße Nächte. Wir wollen freundliche, aber nicht brutal warme Lüfte. Wir wollen Brisen, die uns liebkosen. Eine wärmende, aber nicht sengende Sonne. Schick uns bunte, aber nicht grelle Farben. Lass die Natur leuchten, aber nicht blenden. So kannst du uns vielleicht versöhnen, bis dann in rund einem Monat der Sommer übernimmt.
Dann haust du am besten ab, trittst ein wenig von deinen heuer so überhaupt nicht genutzten Talenten an den Herbst ab, gehst ansonsten neun Monate lang gefälligst in dich und denkst darüber nach, was du alles falsch gemacht hast. Dann geben wir dir nächstes Jahr noch einmal eine Chance. Womöglich, wir werden sehen. Und die nutzt du dann aber gefälligst. Oder es ist endgültig aus mit uns. +++