Es gab eine Zeit, früher einmal, da luden Unternehmen und Institutionen Journalisten in ausladender Frequenz zu Pressereisen ein. Heute kommt das tendenziell seltener vor, weil schließlich: Compliance, Baby!
Das ist natürlich okay, denn eine zumindest kleine Unsauberkeit bergen solche Einladungen durchaus in sich. Selbstverständlich, man ist zu nichts verpflichtet, das wäre ja auch noch schöner. Aber ein klein wenig wohlgesonnener als es womöglich angebracht wäre, ist man den Einladenden unbewusst dann ja doch beim Schreiben. Und weil Journalisten die Welt abzubilden haben, wie sie ist, und nicht wie große Unternehmen sie gerne hätten, besteht dann eben irgendwie immer die Gefahr einer gewissen, nun ja, nicht distanziert genug ausfallenden Berichterstattung. Wie auch immer, Einladungen zu Golf-Pressereisen trudelten früher für einen wie mich häufig ein, der damals für gleich mehrere Golfmagazine schrieb. Das war durchaus unterhaltsam: Man kam herum, man sah die Welt oder zumindest Europa aus der Perspektive des Gastes von Hotels der eher schöneren Sorte, man bespielte wunderbare Golfplätze, und überhaupt. Man begegnete auch immer wieder neuen oder auch denselben Kollegen und Innen, weil die Community der Golfschreiber ja eine überschaubare ist. Das lief dann ungefähr so ab – und Achtung jetzt, weil sentimentale Erinnerung:
Man traf sich irgendwo in einer Airport-Lounge oder dabei, wie man nach der Landung in einem fremden Land die Koffer am Gummiband an sich heran rollen ließ. Das Procedere war stets dasselbe, höfliches Händeschütteln zur Begrüßung, kollegiale journalistische Kumpanei in verhaltenem Maße von Anfang an, wir machten ja alle das Gleiche, mehr oder weniger. Dann ein Bus, den man sich teilte, Fahrt in irgendein Hotel, meistens am Rande oder außerhalb der Stadt, es wurde wenig gesprochen. Höchstens zwei oder drei Kollegen, die sich von früher schon kannten, unterhielten sich – zumeist über gemeinsame Bekannte oder vergangene Pressetrips. Der Rest der Busbelegschaft, in der Regel zwischen fünf bis zehn Menschen, die Mehrzahl Männer, hörte zu. Vertreten waren fast immer mehrere Länder, sehr oft Skandinavien in all seinen Varianten, weil Golf dort oben in Europas Norden eine so große Rolle spielt, dass die vier Staaten überproportional viele Spieler und damit auch Golfschreiber hervorbringen. Praktisch jedesmal waren auch Deutsche mit von der Partie, denn die Deutschen sind einfach immer und überall.
Ab und zu hatten die Veranstalter der Pressereise, in der Regel ein Hotel oder die Tourismus-Organisation eines Landes oder einer Region, auch einen oder zwei Amerikaner eingeladen, selten Schotten, manchmal Italiener. Ich freute mich auch schon über die Gesellschaft eines Japaners, den irgendein ungewöhnliches Pressereiseeinladungsschicksal nach Europa geschwappt hatte, damals in den Norden Irlands. Als Österreicher war ich in den multinatonalen Truppen meistens allein, jedoch erfüllte ich immer brav meine spezielle Rolle.
Einer muss nämlich immer der Österreicher sein.
In unserem Miniland haben wir nicht viele Golfschreiber. Also war kaum je mehr als ein Exemplar von uns mit von der Partie, während zum Beispiel unsere lieben deutschen Nachbarn zumeist in Duos, Trios oder sogar in Quartetten auftraten. Dafür kam uns singulären Österreichern bei diesen Trips fast immer eine ganz bestimmte Rolle und Funktion zu. Wir waren der lustige Kerl, der sich bei Golf natürlich nicht so gut auskennt wie der Rest der Gruppe, der insgesamt ein bissl nicht so richtig ernst zu nehmen ist, der aber zumindest Sound of Music auswendig kennt und höchstwahrscheinlich ein Dutzend Mozartkugeln im Golfbag verstaut hat, und der idealerweise Arnold Schwarzenegger und Niki Lauda persönlich kennt oder kannte, weil in so einem kleinen Land treffen sich ja praktisch alle täglich. Glauben halt die, die von woanders kommen.
Einer in der Gruppe ist jedenfalls eben: der Österreicher.
Selbstverständlich erwartete man vom Österreicher eine gewisse grundsätzliche Putzigkeit, und natürlich war es geboten, immer – und damit meine ich wirklich: immer – ein Späßchen parat zu haben. Das mit dem Späßchen war vor allem den deutschen Kolleginnen und Kollegen gegenüber nicht ganz leicht. Die tendieren nämlich durch ihre angeborene Seriosität dazu, Witze, die Österreicher machen, einfach nicht als solche dekodieren zu können. Ich könnte ein Fotoalbum mit Bildern verständnisloser Blicke deutscher Kollegen machen, nachdem ich was Lustiges gesagt hatte. Mit deutschen Frauen war es leichter, die finden uns Österreicher nämlich per se drollig und lachen immer, wenn sie den Pressereisenösterreicher sehen. Wenn du da zum Beispiel am Grün einer deutschen Kollegin einen Put schenkst, indem du schlicht Paaasst scho sagst und dein gelassen gedehntes österreichisch Idiom zur Anwendung bringst, könnten sie dich dafür knuddeln ohne Ende und würden dich am liebsten den ganzen Tag lang Paaasst scho sagen hören.
Natürlich erledigte ich – und meine österreichischen Golfjournalisten-Kollegen (Kolleginnen gibt es fast keine) wohl ebenso – die uns zugedachte Aufgabe stets nach Kräften.
Ich war halt auf Golf-Pressereisen der Österreicher.
Also: lustig. Ich beschwerte mich fast nie über was und wenn sich deutsche oder skandinavische Kollegen bei irgendwelchen organisatorischen Ungereimtheiten bereits dem Auszucker näherten, setzte ich mich auf meinen Koffer oder das gut verpackte Golfbag, schaute entspannt in die Umgebung und verbreite Easy-going-Schwingungen an die Kollegenschaft. Manchmal sagte ich dann auch noch:
Aber geh, des paaaasst scho!
Dann war meistens gleich alles gut, die Gruppe entspannte sich kollektiv und wartete geduldig, bis sich alles wieder irgendwie eingerenkt hatte. Ich glaube ja fast, das ist der Hauptgrund, warum wir Österreicher zu Golf-Pressereisen überhaupt mitgenommen wurden und werden. Unsere Medien können es schließlich nicht wirklich sein, weil ihre geringe Auflage und damit die Verbreitung der Pressetrip-Inhalte im internationalen Vergleich nur eine Quantité négligable darstellt. Aber wir Österreicher sind die Rückversicherung gegen schlechte Stimmung. Will sich eine Gruppenmitglied über was beschweren, gibt es Grund zur Aufregung, geht etwas schief – dann kommt einfach der Österreicher der Gruppe, sagt einmal kurz Na geh, paaasst scho! – und alles ist easy cheesy.
Was mir außerdem mehrmals auffiel: Waren zwei Österreicher mit von der Partie, was wirklich selten vorkam, war auch das erste gemeinsame Abendessen nicht so ein bemühter Hänger. Weil noch niemand niemanden besser kannte, setzten die zwei Österreicher sich natürlich zusammen – wie auch die Deutschen, die Norweger, die Schweden, die Schweizer und so weiter. Jenes Eck der gemeinsamen Tafel, an dem der Schmäh rannte, war dann immer das österreichische. Rund um den Tisch herrscht am ersten Abend einer Pressereise immer viel Schweigen, zumindest am Anfang. Die Deutschen tauschen bestenfalls Handicaps aus, die Schweizer zählen das Besteck, die Skandinavier überlegen, ob sie sich mit ihrem Tischnachbarn auf Englisch oder gar nicht unterhalten sollen. Die Österreicher jedoch führen Schmäh.
Ist man als Österreicher allein unterwegs, funktioniert das so natürlich nicht. Sind Bayern mit von der Partie, schon. Weil die sind schmähmäßig eh halbe Österreicher. Aber als singulär vorhandener Landsmann musste ich da dann immer auf meine Geheimwaffe zurückgreifen. Sie wirkt allerdings nur bei den Deutschen: Ich erzählte eine Geschichte, in die ich ein österreichisches Sprachspezifikum einbaute. Ich rede hier nicht von abgelutschten Banalitäten wie dem Oachkatzlschwoaf, das ist wirklich Kinderkram. Sondern von hochspezifischen Termini wie zum Beispiel dem Bartwisch.
Was?, fragten die Kollegen und Innen dann immer entsetzt.
Na Bartwisch, wiederholte ich, wartete dann ein paar Sekunden ab, wegen des dramaturgischen Crescendo, und fügte schließlich verständnislos hinzu:
Handfeger!
Das Ergebnis war immer große Heiterkeit, die außer den Deutschen und dem Österreicher natürlich niemand am Tisch verstand. Die deutschen Kollegen versuchten dann, die Sache vielsprachig zu erklären – und das Eis war gebrochen. Das funktioniert genauso gut zum Beispiel mit 16er-Blech (eine Dose Ottakringer-Bier), während sich A Eitrige mit am Bugl (eine gegrillte Käsekrainer-Wurst mit dem Endstück eines Laib Brotes) in vielen Fällen als bereits zu sophistisch herausstellte. Das hängt igrendwie von der Gruppe ab, man braucht da ein feines zwischenmenschliches Gespür, um rasch herauszufinden, was geht und was nicht. Aber über das muss man halt einfach verfügen, wenn man auf einer Golf-Pressereise der Österreicher ist.
Das ist natürlich eine gewisse Herausforderung. Aber es ist, wie es ist. Einer muss sich opfern. Einer ist halt immer der Österreicher. +++