Seit einigen Tagen dürfen nun SPÖ-Mitglieder abstimmen, wer künftig die Partei führen soll. „Wahlkampf ist die Zeit fokussierter Unintelligenz. Da passieren halt gelegentlich Dinge, die nicht gescheit sind – leider auch in der eigenen Partei“, hat der kluge Wiener Ex-Bürgermeister Michael Häupl einmal gesagt. Offensichtlich gilt die Häupl-Weisheit auch im Kampf um die Parteispitze. Zumindest die beiden Herausforderer von Pamela Rendi-Wagner gehen mutig diesen Weg.
Beispiele gefällig? Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler tritt mit der zentralen Forderung einer 32-Stunden-Woche für alle an. Bei vollem Lohnausgleich. Schon heute fehlen dem heimischen Arbeitsmarkt etwa 200.000 Arbeitskräfte und wegen der Pensionswelle unter der Baby-Boomer-Generation wird die Zahl weiter steigen. Die Krankenhäuser müssen vorhandene Betten stilllegen, die Schulen wissen bald nicht mehr, wer die Schüler unterrichten soll, und sogar viele Wirthäuser sperren wegen Personalmangels zu.
Die Antwort Bablers darauf: Alle sollen künftig fast ein Fünftel weniger arbeiten. Jetzt können schon manche Buchhalter oder Journalisten bald von Künstlicher Intelligenz ersetzt werden und Roboter können in der Fertigung manches bisher Menschengemachte übernehmen, aber das gilt für viele Bereiche unserer Wirtschaft und vor allem unseres Gemeinwesens keineswegs. Kein Roboter kann Kinder unterrichten, sich um Kranke kümmern oder Photovoltaik-Anlagen am Dach anschließen. Bei einer 32-Stunden-Woche könnten einfach weniger Güter produziert und vor allem weniger Dienstleistungen für die Bevölkerung erbracht werden. Von der daraus folgenden Unfinanzierbarkeit des bisherigen Sozialsystems gar nicht zu reden.
Eine ähnliche Variante lieferte sein Rivale Hans-Peter Doskozil ab. Wohl im Kampf um die Sympathien der mächtigen Gewerkschaft forderte der burgenländische Landeshauptmann einen Mindestlohn von 2.000 Euro für jeden Vollzeit-Arbeitnehmer. Netto, versteht sich. Diese „Ungerechtigkeit“ von Entlohnungen mit 1.300 oder 1.400 Euro netto wolle er beseitigen.
2.000 Euro netto sind immerhin mehr als 2.800 Euro brutto. Der Medianwert der heimischen Einkommen lag laut Arbeiterkammer 2021 bei 2484 Euro brutto. Das heißt, mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer in Österreich würden bei Umsetzung des Doskozil-Plans künftig mehr verdienen. Für fast ein Fünftel der arbeitenden Bevölkerung würde es zumindest eine Verdopplung des bisherigen Einkommens bedeuten. Jetzt gibt es Gruppen, denen eine kräftige Gehaltserhöhung durchaus zu gönnen wäre: Pflegekräften oder Kindergärtnerinnen beispielsweise. Aber flächendeckend? Bei einer Inflationsrate, die schon heute zu den höchsten in der Nachkriegsgeschichte zählt?
Bei einer Umsetzung dieser Idee würde die Inflationsrate locker auf 20 Prozent und mehr hinaufschießen. Jene mit mehr als 2800 Euro Monatseinkommen dürften dann die Zeche zahlen. Beziehungsweise letztlich alle, denn für eine Exportnation wie Österreich würde das einen zwangsläufigen Exit aus vielen Weltmärkten bedeuten.
Pamela Rendi-Wagner hat es da einfacher. Sie ist zu unpolitisch, um auf solche Forderungen zu kommen. Aber vielleicht liegt in diesen Forderungen auch die Erklärung für die vierte Variante am SPÖ-internen Stimmzettel: „Keine*n der genannten Bewerber*innen“ darf von den Mitgliedern auch angekreuzt werden. Könnte sein, dass diese vierte Option zunehmend interessanter wird. +++