“Wir haben einen großen Schritt aus der Abhängigkeit von russischem Gas gemacht”, erklärte Energieministerin Leonore Gewessler Ende November des Vorjahres. Im September war der Importanteil an russischem Gas auf 21 Prozent gefallen. „Unabhängigkeit, Freiheit und Sicherheit wird es nur geben, wenn wir uns unabhängig gemacht haben von russischen Importen“, zeigte sich die Ministerin überzeugt. Der Weg zu null Prozent, was sich vor allem die Grünen aus Klimaschutz- und Sicherheitsgründen auf die Fahne geschrieben haben, sei nicht mehr weit, so die Ministerin vollmundig wie immer.
Gleich danach sind die Zahlen wieder sukzessive nach oben geklettert – Krieg hin oder her. Im Januar waren schon wieder 80 Prozent des von Österreich eingekauften Gases russischer Herkunft (Quelle: Redaktionsnetzwerk Deutschland). „Österreich hängt an der russischen Gas-Leine“, so Herbert Lechner, der ehemalige Chef der Energieagentur Österreich. Und der ehemalige Leiter der E-Control, Walter Boltz, ist auf Basis europäischer Daten sogar noch schonungsloser: “Außer Österreich und Ungarn bestellt kaum noch jemand in nennenswertem Ausmaß Gas aus Russland.”
Überraschend ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich Ministerin Gewessler – wie kolportiert – mit Karl Rose ausgerechnet jenen Aufsichtsrat aus der OMV als Berater ins Ministerium holen wollte, der gemeinsam mit dem schwer unter Beschuss geratenen Ex-OMV-Chef Rainer Seele die Russland-Geschäfte forcierte hatte. Rose ist in der OMV als Aufsichtsratsmitglied Vorsitzender des Portfolio- und Projektausschusses. Dessen Aufgabe ist es, den Vorstand bei Großprojekten und komplexen Entscheidungen zu unterstützen – also auch bei der Russland-Strategie der OMV. Für die Ministerin war Rose offensichtlich der richtige Mann, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Auch wenn er als Aufsichtsrat der OMV schon per Gesetz deutlich andere Ziele haben muss. Wohl deshalb sagte Rose dann trotz – laut „Kurier“ – unterschriftsreifem Vertrag der Ministerin ab.
Ende Oktober flog die Energieministerin dafür mit dem Bundeskanzler samt großem Journalistentross nach Abu Dhabi, um mit einer „Absichtserklärung“ für eine einzige Schiffsladung Flüssiggas (LNG) im nächsten Winter heimzukommen. Angaben, wie das Flüssiggas vom Tankschiff nach Österreich kommen soll, wurden nicht gemacht. Überhaupt sind keine Pläne, wie Österreich längerfristig an ein LNG-Terminal – etwa an der Adria – angebunden werden könnte, bekannt.
Zumindest wäre es angenehm, wenn nicht jeder Ausreißer in einer Monatsstatistik für großspurige Pressearbeit genützt wird. Das Publikum käme sich dann etwas weniger für dumm verkauft vor. Und ernsthafte Pläne, wie man die Abhängigkeit von russischem Gas kurz- und mittelfristig reduzieren will, ohne die üblichen unrealistischen Ankündigungen vom „Erneuerbaren-Ausbau“ hören zu müssen, wären sowohl für die gasverbrauchende Industrie als auch für jene 900.000 Haushalte, die mit Gas heizen, eine willkommene Abwechslung. +++