Nike hat mit einer neuen Influencerin für seine Yoga- und Sportmode geworben. Das Besondere daran: Dylan Mulvaney ist eine Transfrau. Die Folge waren Shitstorms auf Social Media und jede Menge Boykott-Aufrufe für die gesamte Marke.
Der Pranger ist zurück. Nicht in der Form des Mittelalters, sondern als Hashtag auf den Social-Media-Plattformen. Können wir uns nicht auf beiden Seiten wieder etwas entspannen? Eine Firma kann werben, mit wem sie will. Das ist die Freiheit im Unternehmertum. Es braucht auch niemanden zu stören. Man kann das einfach nicht anklicken und schon ist das Problem gelöst.
Auf der anderen Seite sollte man aber auch die Flexibilität haben, dass zwei getrennte Toilettenanlagen ebenso für das dritte, vierte und fünfte Geschlecht beziehungsweise für jene, die sich in der Früh nicht entscheiden konnten, wohin sie gerade gehören, reichen sollten. Und eine Biologin, die behauptet, die Genetik beruhe auf der Fortpflanzung durch zwei Geschlechter, sollte ungestört ihren Vortrag halten können – ohne dass er, wie an der Humboldt-Universität in Berlin, wegen Sicherheitsbedenken abgesagt wird.
Es muss nicht zu allem die große Empörung, zu jedem Thema einen Shitstorm geben. Die Welt hat genug ernsthafte Probleme von Klimaerwärmung über Künstliche Intelligenz bis zu diversen Kriegen. Das sind Themen, die Empörung und Sorge rechtfertigen, aber nicht eine Transgender-Frau als Werbeträgerin oder ein wissenschaftlicher Vortrag, dessen Inhalt man kritisch sieht. Einfach nicht hingehen oder weghören würde schon genügen; es braucht die Empörung, die immer öfter im Imperativ daher kommt, nicht. Und sie nutzt sich zunehmend zulasten der wirklich wichtigen Themen ab.
Der große Shitstorm bei kleinen Themen nützt lediglich den Populisten an beiden Rändern der Gesellschaft, deren Geschäftsmodell auf dieser Empörung basiert. Die einen dreschen mit der Moralkeule auf alles ein, das nicht ihren Vorstellungen der Gesellschaft entspricht. Die anderen camouflieren ihr herabwürdigendes und rassistisches Gedankengut mit dem „Das wird man wohl noch sagen dürfen“-Motto. Dabei handelt es sich auf beiden Seiten um Totalitarismus und um Widersprüche zu einer liberalen Gesellschaftsordnung.
George Orwell hat es in seiner „Farm der Tiere“ so treffend zusammengefasst: „Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.“
Gerne befasse ich mich auch mit Widerspruch zu diesem Kommentar. +++