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Neue Ausreden nach Amokläufen

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In den USA wird nach Schussattentaten wie zuletzt in Nashville immer eine Verschärfung der Waffengesetze gefordert. Doch das wird stets von der Waffenlobby verhindert.

Es war in den USA in diesem Jahr bereits das 131. „mass shooting“. Der Amoklauf am Montag dieser Woche in einer Grundschule in Nashville/Tennessee forderte 6 Tote, darunter drei Kinder. Die Täterin wurde von Polizisten erschossen.

Wie jedes Mal nach solchen Massakern wird in den USA der Ruf nach schärferen Waffengesetzen laut. Und jedes Mal wehren sich sofort Politiker der Republikaner dagegen. Sie sehen im Recht, Waffen zu besitzen und zu tragen, ein Grundrecht. Wieso dieses auch automatische Schützengewehre, die ja Kriegswaffen sind und mit denen besonders viele Menschen getötet werden können, beinhalten soll, verschließt sich jeder Erklärung.

Warum besonders häufig Schulen und Universitäten als Ziel von Anschlägen ausgesucht werden, ist schon verständlicher. Meist sind es Racheakte für dort erlebte Demütigungen, Beleidigungen oder schlimmere Übergriffe.

Das Massaker an der Columbine Highschool in einem Vorort von Denver (Colorado) im April 1999 durch zwei Schüler, die innerhalb von einer Stunde 12 Kameraden und einen Lehrer erschossen und zwei Dutzend Schulangehörige verletzten, ehe sie sich selbst töteten, war nicht das erste seiner Art, wurde aber rasch zum Archetyp des „School shootings“ mit Folgewirkungen bis in die Popkultur.

Das erste Massaker an einer Uni in den USA fand bereits 1966 an der „University of Texas“ (UT) in Austin statt. Ein Student und ehemaliger Soldat verschanzte sich auf der Aussichtsplattform des Turms der Uni und schoss von dort oben wahllos auf Passanten. 15 Menschen kamen ums Leben, über 30 wurden verletzt, ehe zwei Polizisten ihn töten konnten. Damals holten Studenten ihre Jagdgewehre aus den Heimen und feuerten auf den Schützen auf dem Turm. Der war aber durch die Begrenzungsmauern gut geschützt und verwendete kleine Luken als Schießscharten. Der Aussichtsturm blieb daraufhin jahrzehntelang versperrt, ehe Metalldetektoren für Besucher installiert wurden.

Ich war 2007 an dieser Uni für ein Sabbatical ein Semester lang Fulbright-Lektor für EU-Studien. Als damals im April an einer technischen Uni in Virgina ein aus Südkorea stammender Student bei einem Amoklauf 32 Schüler und Lehrkräfte erschoss und 17 Menschen verwundete, kam es auch in meinen Lehrveranstaltungen zu hitzigen Debatten, ob man nicht das an der UT geltende, strikte Waffenverbot abschaffen sollte. Damit könnten sich KommilitonInnen gegen solche Amokläufer zur Wehr setzen.

Bei einer Abstimmung stellten aber die Gegner der Zulassung von Waffen eine klare Mehrheit. Sie befürchteten, Waffen tragende Studenten könnten erst recht für mehr Schießereien auf dem Campus sorgen.

Ich habe damals die Waffenabteilungen in großen Supermärkten stets mit ein wenig Gänsehaut beobachtet. Dass dort österreichische Produkte der Marke Glock besonders gefragt waren, hat bei mir keine patriotischen Gefühle ausgelöst.

Und außer einigen Maßnahmen – etwa eine kurze Wartefrist bis zur Ausfolgung der Waffe, um spontane Handlungen zu erschweren, ist bislang nicht viel passiert, – auch aus Rücksicht auf die US-Waffenlobby, die mit der „National Rifle Association“ (NRA) einen durchsetzungsstarken Interessensverband besitzt.

Nach dem Massaker in Nashville haben sich die Republikaner bereits auf die Attentäterin eingeschossen, eine Transgender-Person. Nicht die viel zu leicht zugänglichen Sturmgewehre seien für die Tat verantwortlich, sondern „Testosteron-Therapien“ zur Geschlechtsumwandlung und Medikamente bei mentalen Erkrankungen. +++

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Otmar Lahodynsky ist einer der profiliertesten Außen- und Europapolitik-Journalisten Österreichs. Bis Ende 2019 war der geborene Linzer Redakteur und EU-Koordinator beim Nachrichtenmagazin „profil“. Davor Brüssel-Korrespondent und stv. Chefredakteur der Zeitung „Die Presse“ sowie Außenpolitik-Ressortchef beim „Kurier“. Bis Ende 2021 war Lahodynsky Präsident der „Association of European Journalists“ (AEJ) 2014-2021, nun ist er Ehrenpräsident. Neben such*stuff schreibt er auch Gastkommentare und Beiträge für „Die Presse“, „Wiener Zeitung“, „Furche“, „Cercle Diplomatique“ und „NEGlobal“ (Brüssel). 2019 erhielt er den Dr-Karl-Renner-Publizistikpreis fürs Lebenswerk.