Wenn die Übernahme der riesigen Crédit Suisse durch die noch viel größere UBS in der Schweiz eines zeigt, dann ist es die Tatsache, dass der gesamte europäische Bankensektor – und nicht nur der – immer noch völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Allein schon diese beiden Ausdrücke, die seit der noch gar nicht so weit in der Vergangenheit liegenden Wirtschaftskrise die Runde machen: “Too big to fail”, also “zu groß, um untergehen zu können”, und “systemrelevant”. Die sagen schon alles. Es kann nicht sein, dass ein einzelner Konzern eine Größe erreichen kann, durch die er für den Fall des Scheiterns gerettet werden muss, weil sonst die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden und die Folgeschäden gigantisch sein könnten. Ein System, das Unternehmen und Konzernen ein Stadium der Systemrelevanz erlaubt, ist indiskutabel. Es hat ein Relevanzproblem und gehört schleunigst modifiziert.
Laufen Unternehmen Gefahr, eine Größe zu erreichen, die sie too big to fail macht, gehören sie zerschlagen. Politische Entscheidungsträger, die too big to fail erlauben oder auch nur dulden, sind abzuwählen – weil sie ebenso wie die Unternehmen, die too big to fail werden, eine Gefahr für funktionierende Demokratien darstellen. Anders gesagt: Erlauben Staaten Unternehmen, das Stadium der Systemrelevanz zu erreichen, ist ihr politisches System nicht mehr relevant und gehört einem Service unterzogen.
Natürlich könnten wir jetzt sagen: Das ist in diesem Fall ein Problem der Schweizer, was kümmert´s uns also. Das wäre kurzsichtig – ein wenig so, als würden wir wie der Vogelstrauß den Kopf in den Sand stecken und denken, die Welt um uns herum ist verschwunden. Natürlich geht uns das alle an – nicht nur, weil das schweizerische Problem Auswirkungen auf den Finanzsektor in der ganzen Welt hat. Sondern auch, weil es symptomatisch für die – immer noch – völlig außer Rand und Band befindliche Finanzwirtschaft ist. Deren Manager haben aus der Krise ab dem Jahr 2008 nichts gelernt, und auch die Politiker, die das Handeln dieser Manager beobachten und reglementieren sollen, haben daraus nichts gelernt. Sonst wäre eine Schieflage wie jene der Crédit Suisse gar nicht mehr möglich.
Eine Bank, die mit 50 Milliiarden vom Staat garantierten Schweizer Franken – Geld des Steuerzahlers – gerettet und gesponsert werden muss, nachdem in den Jahren davor Milliarden-Boni an das Management ausgezahlt wurden? Gerettet, damit sie von einer anderen, noch viel größeren Bank zu unverschämt günstigen Konditionen (und wieder mit staatlicher Stützung) übernommen wird, deren Management in den vergangenen Jahren Milliarden-Boni ausgezahlt erhalten hat? Es ist höchste Zeit, diesem unvernünftigen und für die Weltwirtschaft ungesunden Treiben Einhalt zu gebieten. Erinnern wir uns: Bei uns musste die Hypo Alpe Adria mit Milliardenhilfen des Staates abgewickelt werden, nachdem das Management zuvor Boni in unglaublicher Höhe kassiert hat. Alles immer mit dem Argument: Es bleibt ja nichts anderes übrig, denn wenn diese Bank pleite geht, zieht sie die halbe Wirtschaft mit. Mit anderen Worten: Sie ist – nach bescheideneren österreichischen Verhältnissen – too big to fail.
“Too big to fail” gibt es nicht. Darf es nicht geben. Es ist eine Erfindung ängstlicher Politiker, geschickter Lobbyisten und geldgieriger Spitzenmanager. Hat ein Unternehmen eine Größe erreicht, die es too big to fail macht, dann ist das die Manifestierung des vorherigen Versagens der Politik. Deren Aufgabe ist es, too big to fail unmöglich zu machen. Und für das in vielen Fällen verantwortungslose Management dieser Unternehmen, das Milliarden-Boni kassiert und sich ansonsten um wenig schert – weil ja klar ist, dass im Notfall der Staat einspringt, also der Steuerzahler – muss gelten: Auch “too big to jail” darf es nicht geben. Einzelne Top-Manager dürfen nicht gewichtig genug werden, um nicht für ihr miserables Wirtschaften zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn es gesetzlichen Vorgaben widersprochen hat. +++