Der mittlerweile weltweit bekannte Aufdeckerjournalist Christo Grozev hat Österreich nach 20 Jahren verlassen. Er fühlt sich in seiner Wahlheimat trotz Polizeischutz nicht mehr sicher. “Ich vermute, dass es in der Stadt mehr russische Agenten, Spitzel und Handlanger gibt als Polizisten”, erklärte Grozev dem „Falter“ und sorgte damit für internationale Schlagzeilen.
Er weiß vermutlich, wovon er spricht – immerhin hat Grozev russische Verbrechen wie die Giftanschläge auf Alexei Nawalny und Sergei Skripal an die Öffentlichkeit gebracht und war maßgeblich an der Aufklärung des Abschusses eines malaysischen Passagierflugzeugs über der Ostukraine beteiligt.
Auch Michail Chodorkowski, einst als reichster Mann Russlands bei Putin in Ungnade gefallen und nun als einer seiner Kritiker in London lebend, bestätigte im „Standard“ die reelle Gefahr für Grozew: „Bedenkt man die Zahl professioneller Auftragsmörder im „Schlafmodus“, ist es für Putin ungleich leichter, jemanden in Österreich umzubringen als in anderen europäischen Staaten.“
Angesichts solcher Aussagen fragt man sich, was die heimische Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), die Nachfolgeorganisation des BVT, eigentlich zwischen den Kaffeepausen so macht. Natürlich kann man nicht alles publizieren, aber laut eigener Website hat die DSN 2023 bisher eine mutmaßliche Nazi-Website eines Tirolers ausgeforscht und das Neujahrskonzert vor Klimaklebern geschützt. Dazu kommt noch zuletzt eine Warnung, dass Kirchen ein Ziel islamistischer Anschläge sein könnten.
Basta. Aber mehr kann man in Österreich wohl nicht verlangen. Der Schutz des Neujahrkonzerts kommt in der Prioritätenliste natürlich ganz oben, da kann man nicht auch noch Putins Auftragskiller ausforschen. Schon gar nicht, wenn der geschätzte Soll-Stand von 600 Mitarbeitern noch immer nicht erreicht ist. Der Schutz des Musiklandes Österreich kommt auch in den publizierten Terminen der DSN zum Ausdruck: Man konzentriert sich auf ein Konzert der Polizeimusik Salzburg in Wals und auf ein Galakonzert der Polizeimusik OÖ. Da spielt also die Musik für die Staatsschützer.
Kein Wunder, dass auch Gustav Gressel, österreichstämmiger Experte beim European Council on Foreign Relations in Berlin, in der „Presse“ zum Schluss kommt: „Die Spionageabwehr ist bei uns quasi nicht existent.“ Hauptsache, die Musik spielt weiter. +++