Beschäftigte eines Schlachthofs schleudern Hühner gegen einen Container, um ihnen den Schädel zu brechen. Lader fahren einfach über lebende Hendl drüber. Der Betrieb, aus dem diese verstörenden, jüngst zu sehenden Bilder stammen, ist mit dem AMA-Gütesiegel ausgestattet.
Seit 1990 sind Waldflächen verschwunden, deren Ausdehnung jene der gesamten EU überschreitet. „Und immer mehr Wälder verschwinden aufgrund fälschlich zertifizierter Holzprodukte“, schreiben internationale Aufdeckungsjournalisten vor wenigen Tagen.
In Österreich reiht sich fast ein AMA-Gütesiegel-Skandal an den nächsten: Es ist bereits binnen eines Jahres der zweite zertifizierte steirische Hühnermäster, aus dem der Verein gegen Tierfabriken schaurige Bilder publiziert. Im Sommer des Vorjahres war es ein niederösterreichischer Schweinemastbetrieb, der tote und teilweise bereits verweste Tiere neben lebenden liegen ließ.
Doch die Liste der Skandale um getäuschte Konsumenten in wohlhabenden Ländern ist noch viel länger: vom Thunfischfang mit Delfinen im Netz über Fairtrade ohne viel Fairness bis zu angeblich „grünen“ und „nachhaltigen“ Finanzprodukten.
Andererseits vertrauen Konsumenten auf diese Gütesiegel. Die Arbeiterkammer erhob in einer Umfrage, dass 92 Prozent das AMA-Gütesiegel kennen und mehr als die Hälfte beim Einkauf darauf achtet. 8 von 10 Befragten sind auch bereit, für Fleisch, das aus einer Tierhaltung nach hohen Tierwohlstandards kommt, mehr zu bezahlen. Selbes gilt wohl auch für „Schutz der Wälder der Welt“ und so weiter.
Im Ausgleich bekommt man von den Gütesiegel-Verleihern Werbespots, in denen sprechende Schweinderl dem Bauern auf sonnigen Wiesen nachtrippeln. Diese Idylle will man dann weiter vor Augen haben, wenn man die Plastiktasse mit dem Schweineschnitzel zum Diskontpreis in den Einkaufswagen legt. „Bei meiner Ehr“ versicherte ein bärtiger Bauer in einem früheren Werbespot. Wie viele Euro diese „Ehr“ wert ist, sieht man nun immer wieder.
Die Produzenten finanzieren die gütesiegelverleihenden Unternehmen und Institutionen – vom Hühnermäster über den Fischereiflottenbetreiber bis zum Holzkonzern. Sie sind damit die Kunden für AMA, FSC, Fairtrade und wie sie alle heißen. Und eben nicht die Käufer der Produkte im Supermarkt. Je mehr ein Unternehmen bereit war, für ein grünes Label zu zahlen, desto lockerer wurden die Zertifizierer mit ihren Standards, kritisierten ehemalige Mitarbeiter im eben aufgedeckten Holz-Skandal.
Ein Wirtschaftsprüfer, der die Jahresbilanz eines Unternehmens prüft und letztlich bestätigt, handelt auf der Basis strenger gesetzlicher Vorgaben und im Bewusstsein der eigenen Haftung bei Verfehlungen. Solange dies nicht für Gütesiegel verleihende Firmen ebenso gilt, werden Konsumenten wohl immer wieder Skandale wie die jüngsten erleben und ihr gutes Gewissen beim Einkauf nur mit einer ordentlichen Dosis Selbsttäuschung aufrecht erhalten können. +++
Anmerkung: Das Aufmacherbild stammt nicht aus einem Betrieb, der mit dem AMA-Gütesiegel ausgestattet ist.