Es gibt viele und gute Gründe, warum der Staat unter normalen Umständen möglichst nicht in die Mechanismen des Marktes und damit vor allem in die Preisbildung von Gütern und Dienstleistungen eingreifen sollte. An Wirtschaftsuniversitäten füllt dieses Thema ganze Vorlesungen. Mitunter sogar Vorlesungsreihen. Die entscheidende Wortkombination in diesem Zusammenhang ist aber: “unter normalen Umständen”. Davon kann derzeit keine Rede sein. Weil in Europa Krieg herrscht und weltweit Sanktionen gegen ein Land verhängt werden, das den ganzen Kontinent mit der Ressource Erdgas versorgt und ihn zu erpressen versucht. Das rüttelt an der Basis der Erbringung der Wirtschaftsleistung der meisten Nationen und treibt die Teuerung voran. Das sind natürlich alles andere als normale Umstände.
Von den herkömmlichen Mechanismen, die Notenbanken üblicherweise zur Bekämpfung von Inflation zur Verfügung stehen, greift deren wichtigster außerdem nicht mehr: die Erhöhung der Leitzinsen. Zumindest greift er in Österreich nicht. Gar nicht so wenige Ökonomen denken schon länger darüber nach, ob dieses Regulierungsinstrument – anders als im vergangenen Jahrhundert – grundsätzlich überhaupt noch geeignet ist, volkswirtschaftliche Entwicklungen wirklich zu steuern. Fakt ist ganz offensichtlich: Die Erhöhung der Zinsen bremst die Inflation diesmal nicht. Österreich schneidet hier noch schlechter ab als viele vergleichbare europäische Staaten – bei uns ist die Inflation trotz steigender Zinsen nach wie vor hoch (zumindest für europäische Verhältnisse).
Längst wäre ein Umdenken angesagt – und zwar in Richtung Preisbremsen. Haupttreiber der Inflation sind die Energiekosten. Der Staat lässt zu, dass Energieunternehmen den Konsumenten aberwitzig hohe Preise aufzwingen und gleichzeitig ebenso aberwitzige Rekordgewinne einfahren. Man muss kein Wirtschaftsprofessor sein, um daraus zu schließen: Preise und Gestehungskosten stehen in keinem vernünftigen Verhältnis. Die Konsumenten werden unter den Augen der Politik – und mit deren Duldung, wenn nicht sogar deren Komplizenschaft – abgezockt. Die Festlegung einer Preis-Obergrenze für Energie – also Treibstoffe, Erdgas und Strom – durch den Staat ist längst überfällig. Sie würde die Inflation sofort dämpfen und Industrie sowie Gewerbe auf eine gesündere Weise international wettbewerbsfähiger machen, als es diverse Energiehilfen auf Kosten des Steuerzahlers tun. Die befeuern indirekt nur die Inflation, belasten das Budget und helfen wenig.
Wenn irgendwann der richtige Zeitpunkt für staatliche Eingriffe in die Verbraucherpreise gekommen ist, dann ist er also jetzt gekommen. Wenn dieser Tabubruch irgendwann gerechtfertigt erscheint, dann ist er jetzt gerechtfertigt. Herrscht später wieder der Normalzustand, kann – besser gesagt: muss – man das natürlich wieder zurücknehmen. (Bei gleichzeitiger Beobachtung der betroffenen Unternehmen mit Argusaugen, wie sie mit dieser Rücknahme dann umgehen – inklusive Strafdrohungen im Missbrauchsfall.)
Andere Staaten in Europa – allen voran Spanien, Luxemburg, Frankreich oder Malta – machen partiell vor, wie das geht und werden mit einer vergleichsweise bescheidenen Inflation belohnt. Bei uns hingegen ist von der “langsamen Entspannung”, die das europäische statistische Zentralamt “Eurostat” Anfang dieses Jahres prognostiziert hat, wenig zu bemerken. Bei uns zeigt der Inflationstrend eher nach oben. Die österreichische Politik – speziell die Wirtschaftspolitik – zeigt sich weiterhin nicht in der Lage, adäquat mit dieser Krisensituationen umzugehen. Wie auch schon früher mit anderen Krisensituationen. Es wird Zeit, dass sich das endlich ändert. +++